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Ein Kuss vor Mitternacht

Ein Kuss vor Mitternacht

Titel: Ein Kuss vor Mitternacht
Autoren: Candace Camp
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In den Augen von ihrem Onkel und ihrer Tante war es höchst unschicklich, ja geradezu lebensgefährlich, ohne Begleitung durch die Stadt zu flanieren. Constance ein Hausmädchen als Begleiterin zur Verfügung zu stellen, um ihr diesen törichten, absolut undamenhaften Wunsch, wie sie es nannten, zu erfüllen, war völlig undenkbar.
    Schon deshalb hatte Constance sich über die Aussicht, mit Lady Haughston einen Stadtbummel zu unternehmen, mehr gefreut, als sie vor sich selbst zugeben wollte. Ihre Stimmung sank mit jeder Minute.
    Um kurz vor zwei beschloss Constance, ihr Zimmer aufzusuchen, um einem hitzigen Streit zwischen Georgiana und Margaret zu entfliehen, in dem es darum ging, welche der beiden von einem gewissen Baron mehr verehrt wurde – der Mann hatte niemals auch nur das geringste Interesse weder der einen noch der anderen gegenüber gezeigt. In dem Moment, als Constance gerade die Treppe hinaufsteigen wollte, kündigte das Mädchen die Ankunft von Lady Haughston an.
    „Ach, du großer Gott!“ Tante Blanche sprang wie von der Tarantel gestochen auf. „Ja, ja, natürlich. Bitte Ihre Ladyschaft nur herein. Rasch, nicht so langsam!“
    Sie zupfte ihr Häubchen zurecht, strich sich glättend über die Röcke, murmelte etwas von einem eleganteren Kleid. „Kinder, steht auf, Schultern gerade! Macht einen höflichen Knicks! Constance, heb meine Handarbeit auf.“
    Constance machte sich daran, den Stickrahmen vom Teppich aufzuheben, der Tante Blanche bei der Ankündigung des hohen Besuchs vor Schreck aus der Hand gefallen war, und ihn im Nähkorb zu verstauen. Deshalb stand sie in gebückter Haltung und leicht abgewandt, als Lady Haughston das Zimmer betrat. Tante Blanche eilte ihr mit ausgestreckten Armen entgegen.
    „Mylady, welche Ehre! Bitte nehmen Sie Platz. Darf ich Ihnen ein Tässchen Tee anbieten?“
    „Nein, danke.“ Lady Haughston, in einem traumhaften Nachmittagskleid aus grüner Seide, verschränkte höflich lächelnd die Hände und nickte den Mädchen flüchtig zu. „Ich kann leider nicht bleiben. Ich komme nur, um Miss Woodley abzuholen. Wo steckt sie denn?“
    Sie blickte an Lady Woodley vorbei. „Ah, da sind Sie ja. Wollen wir? Ich möchte die Pferde nicht zu lange warten lassen.“ Sie musste über ihre fadenscheinige Ausrede selbst lächeln, wobei ihre blauen Augen blitzten. „Hoffentlich haben Sie unsere Verabredung nicht vergessen?“
    „Nein, natürlich nicht. Ich war mir nur nicht sicher … nun, ob Sie es ernst meinten.“
    „Aber wieso denn nicht?“ Lady Haughston zog erstaunt die Brauen hoch. „Weil ich mich verspäte? Ach, das darf Sie nicht stören. Ich bin berüchtigt für meine notorische Unpünktlichkeit“, entschuldigte sie sich mit einem anmutigen Achselzucken, dessen Wirkung äußerst entwaffnend war.
    „Sie machen einen Einkaufsbummel? Mit Constance?“ Tante Blanche starrte Lady Haughston mit offenem Mund an.
    „Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen einzuwenden“, antwortete Lady Haughston liebenswürdig. „Miss Woodley versprach, mich beim Kauf eines Hutes zu beraten. Ich schwanke nämlich zwischen zwei Modellen und konnte mich bisher nicht entscheiden, welchen ich nehmen soll.“
    „Oh.“ Tante Blanche blinzelte verdutzt. „Aber ja, natürlich.“ In ihrem Gesicht spiegelte sich eine Mischung aus Verwirrung und Ärger.„Wie reizend von Ihnen, meine Nichte einzuladen.“
    Constance hatte Gewissensbisse, die Einladung von Lady Haughston verschwiegen zu haben. Da ihr keine bessere Erklärung einfiel, sagte sie schuldbewusst: „Tut mir leid, Tante Blanche. Dummerweise habe ich gar nicht mehr daran gedacht, es dir zu sagen. Hoffentlich bist du mir deswegen nicht böse.“
    Tante Blanche musste zwangsläufig ihre Zustimmung geben, wenn sie sich Lady Haughstons Gunst nicht verscherzen wollte. Und damit hatte Constance im Stillen gerechnet, in der Befürchtung, Tante Blanche hätte ihr diesen Ausflug strikt verboten, wenn sie vorher gefragt hätte.
    Lady Woodley war klug genug, milde zu nicken.„Selbstverständlich, meine Liebe. Du hast dir eine Belohnung verdient.“ Lächelnd wandte sie sich an den hohen Besuch. „Ich weiß wirklich nicht, was wir ohne die Unterstützung unserer lieben Constance tun würden. Es war überaus reizend von ihr, uns nach London zu begleiten und mir zu helfen, die Mädchen zu beaufsichtigen.“ Tante Blanche warf ihren Töchtern einen liebevollen Blick zu. „Es ist nicht einfach, zwei so hübsche und springlebendige Mädchen im
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