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Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland
Autoren: Andreas Eschbach
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ein Dutzend solcher Besprechungen statt, denen rasch einige überaus lukrative Aufträge folgten. Vincent begriff, dass Hill sozusagen in einer Doppelrolle anwesend war: Solange sie zu dritt beisammensaßen, war Frank Hill der Auftraggeber, der Anforderungen definierte und Termine aushandelte. Danach, wenn Frank Hill und Consuela die Besprechung zu zweit fortsetzten, wurde der Abgeordnete zum Berater, der ihr half, die Angebote so zu formulieren und die Preise so zu gestalten, dass sie den Zuschlag erhielt.
    Es dauerte eine Weile, ehe Vincent mitbekam, dass sich Frank Hill für diese Tätigkeit als Berater und Lobbyist bezahlen ließ.
    Die staatlichen Aufträge bescherten SIT einen nach den turbulenten Zeiten der Dot-Com-Krise willkommenen Aufschwung. Tatsächlich ging es der Firma bald so gut wie noch nie, seit Vincent dabei war. Alle Programmierer bekamen komfortablere Bürosessel, am Schwarzen Brett tauchten Bestellformulareedlerer Lieferdienste auf, und Consuela begann, über einen Anbau nachzudenken, eine luxuriösere Eingangshalle und, vielleicht, einen Pool für alle Mitarbeiter.
    Während eines Meetings Ende September des Jahres 2000, sechs Wochen vor der anstehenden Wahl des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, wollte der Abgeordnete Frank Hill wissen, ob SIT ein Programm für Wahlcomputer entwickeln könne, das imstande sei, das Endergebnis einer Abstimmung zu verändern, ohne dass jemand die Manipulation entdecken würde. Ein Prototyp genüge.

KAPITEL 2
    D er Abgeordnete hatte überaus konkrete Vorstellungen hinsichtlich des zu erstellenden Programms. Er zählte sie an seinen sorgsam manikürten Fingern ab: »Erstens, es muss für Touch-Screen-Geräte geeignet sein. Zweitens, ein eingeweihter Benutzer muss ohne zusätzliche Ausrüstung imstande sein, die Veränderung der Auszählung auszulösen. Drittens, die Programmierung muss so gestaltet sein, dass diese Eingriffsmöglichkeiten verborgen bleiben, selbst wenn der Quellcode inspiziert werden sollte.«
    An diesem Punkt faltete Frank Hill seine sorgsam manikürten Hände und sah Vincent mit jenem treuherzig-freundlichen Augenaufschlag an, der auch seine Wahlplakate zierte und ihm in seinem Leben zweifellos schon viele Stimmen betagter Wählerinnen eingebracht hatte. »Denken Sie, dass Sie das hinkriegen, Vincent?«
    Vincent hatte einen Moment lang das Gefühl, das alles nur zu träumen. Bestimmt würde er gleich aufwachen und sich in seinem Bett wiederfinden.
    Dann war der Moment vorbei, und er saß immer noch im Besprechungsraum, an dem großen Tisch aus falschem Teakholz mit den zehn Stühlen darum herum. Ihm gegenüber saßen eine Unternehmerin, die im Alter von 11 Jahren zusammen mit ihrer Tante unter Lebensgefahr aus Kuba geflohen war, und ein Abgeordneter, der gar nicht wusste, was Lebensgefahr war.
    Und der ihn immer noch treuherzig ansah. Seine Freundlichkeit allerdings fing an, einer gewissen Ungeduld zu weichen.
    »Verstehe«, sagte Vincent und räusperte sich, weil er nicht wusste, was er sagen sollte. Ob er ein Programm für einen Wahlcomputer schreiben könne? Wollte ihn der Kerl auf den Arm nehmen? Etwas Einfacheres gab es ja wohl nicht. Vielleicht abgesehen von einem Programm für einen Getränkeautomaten. Wenn Taste 1 gedrückt und Geldbetrag ausreichend, werfe eine Flasche Cola aus. Wenn Taste 2 gedrückt und Geldbetrag ausreichend, werfe eine Flasche SevenUp aus. Und so weiter. »Aber entschuldigen Sie, Sir, ich fürchte, ich verstehe nicht, wozu das dienen soll. Ich meine, diese Geräte werden von ihren Herstellern mit Software ausgestattet –«
    »Frank und … andere machen sich Sorgen, dass die Demokraten versuchen könnten, die Wahlen in Florida zu stehlen«, mischte sich Consuela ein. Sie klang, als glaube sie das tatsächlich. »Sie wollen anhand eines solchen Programmes herausfinden, wie man Wahlmanipulationen erkennen und verhindern kann.«
    Der Abgeordnete nickte bekräftigend. »Genau. Das habe ich vergessen zu erwähnen.« Er hob die Schultern, lachte. »Ich habe das jetzt schon so vielen Leuten erklärt, dass ich das Gefühl habe, die ganze Welt weiß, worum es geht.«
    Es klang so ehrlich, so aufrichtig, so geradeheraus, dass Vincent ihm kein Wort davon abkaufte.
    Andererseits war ihm klar, dass ihm seine Chefin die Hölle heiß machen würde, wenn er jetzt eine moralische Diskussion anfing, anstatt die Wünsche des Kunden zu besprechen.
    »Grundsätzlich«, begann Vincent also, »sind die ersten beiden
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