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Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland
Autoren: Andreas Eschbach
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sich auf dem Schirm, auf dem jeder einzelne Chip genau lokalisiert ist. Sie klicken einen dieser Punkte an, und schon können Sie den Inhalt des betreffenden Chips auslesen, verändern, löschen … Sie können mithören, was geschieht – oder es bestimmen. Direkt per Mausklick. Das ist das Ziel.« Er lächelte. »Oder stellen Sie sich einfach das geilste Computerspiel aller Zeiten vor.«
    Vincent versuchte, es sich vorzustellen, und hätte beinahe gefragt, ob er eine weiße Katze mitbringen dürfe. Stattdessen bat er um Bedenkzeit, obwohl er im Grunde schon wusste, das er schließlich zusagen würde.
    Zwei Wochen später kehrte er wieder, diesmal in einem ebenfalls schneeweißen Lastwagen, der seine private Habe transportierte. Er bekam ein Häuschen zugewiesen und eine Mappe, die ihm alle Einrichtungen der kleinen Siedlung erklärte – Supermarkt, Friseur, DVD-Verleih und so weiter –, dann ließ man ihn in Ruhe, damit er seine Sachen ins Haus tragen konnte.
    Am nächsten Morgen stand er pünktlich zur vereinbarten Zeit am Zugangstor des Hauptgebäudes. Ein junger Mann in einem weißen Overall erwartete ihn.
    »Ich soll Sie, bevor ich Sie an Ihren Arbeitsplatz bringe, erst Ihrem künftigen Vorgesetzten vorstellen«, erklärte ihm dieser.
    »Ich dachte, Mister River und Mister Valley seien meine –?«
    »Die sind von der Personalabteilung«, sagte der junge Mann.
    Es ging durch lange, schmale Gänge, an deren weißen Wänden gerahmte Satellitenbilder hingen; extrem starke Vergrößerungen, die allesamt außergewöhnliche Motive zeigten: Eine russische Militärbasis, auf der jemand mit entblößtem Hintern an einer Schuppenwand hockte. Eine Dachterrasse über einer arabisch wirkenden Stadt, auf der sich eine Frau nackt sonnte. Eine Waldlichtung und darauf ein junges Paar beim Sex.
    Endlich öffnete der Mann im Overall eine der zahlreichen Türen. »Sir«, rief er zackig, »hier ist –«
    »Schon gut. Wir kennen uns«, sagte Frank Hill und erhob sich, um Vincent die Hand zu reichen.

KAPITEL 52
    V iele Stuttgarter nannten es »das Schloss«, obwohl es sich nur um ein weitläufiges, allerdings durchaus repräsentatives und luxuriös gelegenes Haus handelte, das von der Uhlandshöhe einen spektakulären Blick über das Stadtzentrum bot.
    Das war die große Überraschung gewesen, als Simon und Helene nach Stuttgart zurückgekommen waren. Für den Rückweg hatten sie den Zug genommen und sich darüber amüsiert, dass sie ab und zu von Reisenden erkannt oder sogar angesprochen wurden; die Gespräche, die sich ergeben hatten, waren allesamt ausgesprochen freundlich verlaufen.
    »Wirst du das nicht vermissen?«, hatte Helene ihn kurz vor der Ankunft gefragt, und Simon hatte, die Hand schon am Koffer, mit den Schultern gezuckt und gesagt: »Da bin ich auch mal gespannt.«
    Und dann dieser Empfang! Der Bahnhof: ein Volksfest. Der Bahnsteig: Musik spielte, Fahnen wehten, Blitzlichter blitzten, und der Oberbürgermeister hielt eine kurze Ansprache. Wie stolz man sei, »das Königspaar zurück in der Heimat« zu wissen. Artige kleine Mädchen überreichten Blumensträuße, Zuschauer winkten und riefen, und schließlich trat Heinz Stiekel vor sie hin, der Industrielle, dem ein richtiges Schloss gehörte, unter anderem, und drückte Simon eine Mappe in die Hand mit einer Urkunde darin, aus der hervorging, dass er ihnen auf Lebenszeit eine Stuttgarter Villa als angemessenen Wohnsitz zur Verfügung stellte; und nicht nur das, darüber hinaus war diese Stiftung mit einem Fonds ausgestattet, aus dessen Erlösen einige Bedienstete bezahlt werden würden, denn die waren nötig, um alles zu unterhalten.
    »Aber das kann ich doch nicht annehmen«, sagte Simon erschüttert.
    Worauf der Industrielle sich verbeugte und mit belegter Stimme versicherte, es sei ihm eine Ehre, eine große. »Sie würden mir damit eine außerordentliche Freude bereiten, Königliche Hoheit«, fügte er hinzu.
    So lebten Simon und Helene fortan in der prunkvollen Bürgervilla, im Schatten hundert Jahre alter Bäume und mit Blick auf das Herz der Landeshauptstadt. Allfällige Überlegungen, wieder ihren bisherigen Berufen nachzugehen, sollten sie doch, bitteschön, vergessen, erklärte man ihnen. Das Land habe mit den zuständigen Sozialträgern ein Arrangement getroffen, das dafür sorgen würde, dass ihr Lebensunterhalt bis ans Ende ihrer Tage gesichert war.
    Simon entwickelte die Angewohnheit, tagtäglich ausgedehnte Spaziergänge durch die Stadt zu
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