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Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland
Autoren: Andreas Eschbach
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Arm, am rechten Ellbogen und schließlich auf der Innenfläche der rechten Hand, mit den Worten: »Ich salbe dich zum König im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.«
    Einen Moment lang war es Simon, als stünde er neben sich und sähe sich zu. Er wunderte sich über die Ernsthaftigkeit, mit der der greise Bischof diese Bewegungen ausführte, diese Worte sprach. Freilich, allzu oft kam ein Bischof nicht dazu, einen König zu krönen, aber glaubte er wirklich an das, was er da tat?
    Schwer zu sagen. Schließlich wusste Simon selber kaum, was er davon halten sollte.
    Der Chor stimmte eine jauchzende Weise an, die das Kirchenschiff erfüllte wie ein Versprechen.
    Man legte Simon das Krönungsornat an: Ein reich verziertes Übergewand. Ein Band in den Farben Schwarz-Rot-Gold, ähnlich der Stola eines Priesters. Schließlich der prachtvolle Krönungsmantel in üppigem Purpur.
    Die Krönung. Sich feierlich bewegende Hände nahmen denReichsapfel auf, andere das Zepter, hielten sie Simon hin, auf dass er sie ergreife, um anschließend vom Erzbischof die Krone aufgesetzt zu bekommen.
    Doch Simon ignorierte die dargebotenen Krönungsinsignien. Stattdessen erhob er sich von dem Kissen, auf dem er kniete, wandte sich um, den im Dom versammelten Menschen zu.
    Was für ein Anblick! Simon spürte ein Zittern in den Beinen, das vielleicht nicht nur von dem langen Knien herrührte.
    Er trat an das Mikrofon, in das der Erzbischof zuvor gesprochen hatte, und hoffte, dass er die Kraft haben würde, zu tun, was zu tun war.
    Erstaunte Blicke aus immer mehr Augen. Peinlich berührtes Hüsteln hinter ihm. Kameraleute, die eilig neue Positionen einnahmen.
    Der Chor sang noch. Er würde warten müssen, bis das Lied zu Ende war.
    ***
    Alex hatte einen Platz im Seitenschiff, von dem aus er alles überblicken konnte. Als er sah, wie Simon den vorgesehenen und eingeübten Ablauf unterbrach, wollte er aufspringen. Er spürte förmlich, wie sein Adrenalinspiegel innerhalb von Sekunden anstieg. Er hatte sich im Voraus Maßnahmen für vielerlei Zwischenfälle überlegt; für diesen allerdings nicht. Doch egal, er war ein in vielen Alternate-Reality-Games gestählter Organisator, geübt im Improvisieren, ihm würde schon etwas einfallen …
    Leo, der neben ihm saß, hielt ihn fest. »Nicht.«
    »Was?« Alex sah seinen Bruder fassungslos an, dann dessen Hand an seinem Unterarm.
    »Lass ihn.«
    »Sag mal, spinnst du?« Während er – erfolglos – versuchte, Leos Griff abzuschütteln, signalisierte er einem seiner Assistenten, das Mikro abzuschalten, vor dem Simon stand. »Ich lass doch nicht zu, dass er –«
    Leos Griff wurde stählern, seine Stimme, so leise sie blieb, auch. »Bruder, ich sag es nur ein Mal: Du bleibst jetzt hier sitzen, tust nichts und sagst nichts.«
    Alex sah ihn entgeistert an. Der meinte das ernst! Das war alles irgendwie ein abgekartetes Spiel!
    Na ja, und wenn schon. Er sah den Helfer davonhasten, dem er das unmissverständliche Signal gegeben hatte – auf das Mikrofon zeigen, dann mit dem Zeigefinger einmal quer über die Kehle, konnte man das falsch interpretieren? –, sah ihn emsig in sein Walkie-Talkie reden. Okay. Der würde die Sache schon bereinigen.
    ***
    Der Tontechniker an dem großen Hauptmischpult auf der Empore nahm sein Walkie-Talkie auf, als dieses sich, stumm gestellt, mit einem Blinksignal meldete. »Ja?«
    Er hörte zu, erhob sich dabei und spähte über die Brüstung hinab, wo der zu krönende König vor dem Mikrofon stand.
    »Alles klar«, sagte er.
    Er griff nach einem Regler am Mischpult, doch in dem Moment trat ein breitschultriger Mann aus dem Schatten und hielt seine Hand fest.
    »He«, rief der Tontechniker, ein magerer Kerl mit ungesunder Gesichtsfarbe. »Was soll das? Wer sind Sie?«
    »Jemand, der dafür sorgt, dass der König zum Volk sprechen kann, wenn er dies zu tun wünscht«, sagte Matthias Hofmeister, der Leibwächter.
    ***
    Der Chor war verstummt. Wieder erwartungsvolle Stille, bloß diesmal mit einem spürbaren Unterton von Beunruhigung: Inzwischen war den meisten klar, dass irgendetwas nicht so ablief wie vorgesehen.
    Simon hatte sich die formell korrekte Begrüßungsformelsorgfältig zurechtgelegt, einen endlosen Bandwurmsatz voller »Exzellenzen«, »Minister«, »Konsuln« und so weiter, aber jetzt wollte er ihm nicht mehr einfallen, und so beschloss er, das alles einfach wegzulassen. »Ich spreche zu Ihnen, verehrte Anwesende, und zu Ihnen zu Hause an den
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