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Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland
Autoren: Andreas Eschbach
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überhören, dass er diese Einschätzung unzutreffend fand. »Aber die sind alle noch da, und keine davon ist unsere Sirona.«
    Alex ließ sich ein letztes Mal krachend in den Ledersessel des Bundeskanzlers fallen. »Okay«, meinte er. »Sie ist also eine Geheimniskrämerin. Und? Sie wird ihre Gründe haben.«
    »Ich mein ja bloß«, sagte Root und klappte seinen Rechner wieder zu.
    Alex hörte ihn nicht. Er war in jenen dumpf brütenden Blick verfallen, der bedeutete, dass er in anderen geistigen Sphären schwebte. »Sie wird ihre Gründe gehabt haben«, murmelte er noch einmal.
    ***
    Der Kontakt mit jenem »Typen« beim BND zahlte sich für Root aus: Der verschaffte ihm, als alles vorbei war, einen spannenden Job in Pullach. Bundesnachrichtendienst, Abteilung Technische Aufklärung.
    Was sich als das tollste Spiel erweisen sollte, das Root je gespielt hatte.
    Leo gründete zusammen mit jenen Kollegen, die mit ihm gemeinsam die Leibwache für Simon organisiert hatten, eine eigene Firma für Personen- und Objektschutz. Einer ihrer ersten Kunden war ein Graf aus dem Fränkischen, der umfangreiche Ländereien besaß und Probleme mit Holzdieben in seinen Wäldern hatte. Auf der Rückfahrt von einem Einsatz blieb Leo mit seinem Wagen und ohne Mobiltelefon an einer einsamen Stelle liegen. Nach zwei Stunden kam endlich jemand des Wegs, eine junge Frau, die ihn zur nächsten Werkstatt mitnahm. Leo verliebte sich noch während der Fahrt in sie, und sie sich in ihn. Sie verschwieg ihm allerdings lange, dass sie die zweitälteste Tochter seines Auftraggebers, des Grafen, war.
    Sein Kommentar, als sie nach der Hochzeit aus der Kirche traten: »Ich dachte ehrlich, so was passiert nur im Film.«
    Alex erhielt im genau richtigen Moment die Erlaubnis derRegierung der Mongolei, in den endlosen Steppen Asiens seinen großen Traum vom endlosen Spiel zu verwirklichen: Mit Hilfe mongolischer Partner organisierte er ein Alternate-Reality-Game , das es jedem, der wollte (und die nicht unerheblichen Gebühren dafür zu zahlen imstande war), ermöglichte, auszuprobieren, wie es sich als Teil eines Nomadenstammes lebte. Wie es war, in Zelten aus dickem Filz zu schlafen, unter Fellen, um ein beständig glimmendes Feuer aus getrocknetem Dung. Wie es war, Vieh über unabsehbar weites Grasland zu treiben. Wie es war, zu reiten und mit Pfeil und Bogen auf Wölfe zu schießen.
    Und wie es war, nach Spuren der Wahren Schwarzen Standarte Dschingis Khans zu suchen – und sie nie zu finden. Immer nur fast.
    Das war der Abenteuerteil, klar. Das phantastische Element, das jedes Spiel brauchte.
    Die Vormerklisten waren lang. Viele der Spieler, die in die Mongolei reisten, meldeten sich nach ihrer Rückkehr umgehend neu an; die meisten innerhalb der ersten zwei Wochen.
    Alex jedoch kehrte nicht zurück. Er war der Clanchef. Er blieb und bestand darauf, Aleksis Khan genannt zu werden.
    So tat er es Sirona nach und verschwand ebenfalls: in einem Spiel. Genau so, wie er es sich immer erträumt hatte.
    ***
    Vincent wusste, nachdem alles vorbei war, nicht recht, was er noch in Deutschland wollte. Er wusste allerdings auch nicht, wohin er sollte. So war es, trotz des ersten Schrecks, letztendlich eine Erlösung, dass eines Tages sein Mobiltelefon klingelte, ohne eine Nummer anzuzeigen, und, als er den Anruf annahm, eine Stimme, an die er sich nur zu gut erinnerte, sagte: »Miller.«
    Der Mann in dem dunklen Viertausend-Dollar-Anzug. Kalte Angst durchzuckte Vincent. »Sie? Woher haben Sie meine Nummer?«
    »Oh, Vincent«, tadelte die Stimme. »Sie enttäuschen mich.Glauben Sie im Ernst, wir hätten Sie auch nur einen Moment aus den Augen gelassen?«
    Vincent schluckte. »Hören Sie – ich habe getan, was ich konnte. Aber ich bin einfach zu spät gekommen. Irgendjemand hat Zantini zusammengeschlagen, und er ist gestorben, ehe er meine Frage beantworten konnte. In meinen Armen! Was hätte ich denn tun sollen?«
    Miller klang gänzlich unbekümmert. »Das ist okay. Deswegen rufe ich ja an. Um Ihnen zu sagen, dass es okay ist. Soweit es uns betrifft, haben Sie Ihren Job erledigt.«
    »Aber Sie wollten doch wissen, woher diese Chips –?«
    »Wir wollten«, unterbrach ihn Miller, »vor allem wissen, wo sich Zantini aufhielt. Wir mögen es nämlich überhaupt nicht, wenn es jemand schafft, sich vor uns zu verstecken. Das sind wir nicht gewöhnt.«
    Vincent sah auf. Von seinem Fenster aus sah er den Fernsehturm auf dem Alexanderplatz. Die Kugel an seiner Spitze
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