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Ein König für Deutschland

Ein König für Deutschland

Titel: Ein König für Deutschland
Autoren: Andreas Eschbach
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roten Ohrclipse zum anderen. »Wissen Sie was, Vincent? Sie sind ein Strolch, aber Sie gefallen mir.« Sie streckte die Hand über den Tisch. »Willkommen im Team.«
    In der folgenden Zeit sollte Vincent feststellen, dass Consuela eine ausgesprochene Vorliebe dafür hatte, gescheiterte Existenzen um sich zu versammeln. Unter den Programmierern von SIT wimmelte es von illegalen Einwanderern, ehemaligen Sträflingen, pleitegegangenen Unternehmern, bankrotten Spielern und Drogenabhängigen in sämtlichen Stadien der Sucht. Doch sie alle einte ein Verlangen, das weitaus stärker war: das Fieber des Programmierens, die Lust an der Beherrschung der Maschine, die Begierde nach Bildschirm, Tastatur und Rechenleistung. Jeder von ihnen, egal was er im Leben versiebt haben mochte, glaubte mit jeder Faser seines Seins, es mit Computern aber so was von drauf zu haben, dass dem Rest der Welt nichts blieb als ehrfurchtsvolle Resignation.
    Eine echte Herausforderung für Vincent.
    Das Gehalt war nicht überwältigend, aber wenn die Geschäfte gut liefen, spendierte Consuela allen, die nach sieben Uhr abendsnoch da waren, Pizza oder was vom Mexikaner, Inder oder Chinesen, je nach Wochentag. Also blieben sie, sorgten dafür, dass die Geschäfte gut liefen, und schonten ihre Wohnungen. Sie entwickelten ein Ausleihsystem für eine Musikbibliothek, komplett mit Laserscannern und Diebstahlschutz, eine Immobilienverwaltung für eine große Real Estate Agency , die laufend Sonderwünsche nachreichte und am Ende um jeden Dollar feilschte, ein Betriebssystem für einen Poolreinigungsroboter mit zu wenig Speicherplatz, und im Frühjahr des Jahres 2000 hatte Vincent es endlich geschafft: Consuela berief ihn zum Chefprogrammierer.
    Falls er an seinem Leben noch etwas auszusetzen fand, dann höchstens, dass man ihn beim Einkaufen immer noch fragte, ob er neu in Florida sei, er sei so blass.
    Seine neue Stellung umfasste tägliche Meetings mit Consuela Margarita Sanchez, oft mit Kunden, Interessenten oder Beratern. Was bei diesen Treffen besprochen und festgelegt wurde, musste Vincent anschließend den übrigen Programmierern in geeigneter Weise vermitteln, was sich einfacher anhörte, als es war: Huck nahm grundsätzlich nicht an Besprechungen teil. Fernando bestand auf handschriftlichen, durchnummerierten Listen mit klaren Anweisungen. Alvin akzeptierte allenfalls Vorschläge und wollte immer eigene Ideen einbringen, die leider immer schlechte Ideen waren. Xuan sagte gern »Ja, kein Problem« und machte hinterher, wozu er Lust hatte. Ramesh brauchte Druck, weil er sonst tagelang an einer einzigen Zeile Code bastelte, während Claudio anfing, Tippfehler zu machen und nervös aufs Klo zu rennen, sowie das Wort »Termin« fiel. Steve schließlich schlug jedes Mal vor, sie sollten sich einfach alle zusammensetzen und das Konzept von Grund auf neu entwickeln, was, wenn man ihn hätte machen lassen, dahin geführt hätte, erst einmal das binäre System grundsätzlich in Frage zu stellen.
    In seiner neuen Stellung bekam Vincent im Lauf der Zeit Einblick in die Probleme der Geschäftsführung und die Sorgen und Nöte einer Unternehmerin. Er erfuhr, dass sich SIT um Aufträge der Staatsregierung bemühte. »Wenn man da erst mal drin ist«, schwärmte Consuela, »kommt immer eins zum anderen. Dannfließt regelmäßig Geld, und wir müssen uns keine Sorgen mehr um die Gehälter machen.« Consuela machte sich nämlich immer sehr viele Sorgen.
    In einer dieser Besprechungen begegnete Vincent Ende August des Jahres 2000 zum ersten Mal einem hochdynamisch wirkenden, unverschämt gut aussehenden Mann, den Consuela ihm als Frank Hill vorstellte. Hill war Abgeordneter der republikanischen Partei und enger Vertrauter von Jeb Bush, dem Gouverneur von Florida, für den er einige Jahre zuvor als Vizegouverneur kandidiert hatte. Consuela war glühende Anhängerin der republikanischen Partei, ihrer Überzeugung nach die einzige politische Kraft, die Castro die Stirn zu bieten entschlossen war und damit die einzige Hoffnung auf Freiheit für ihr Heimatland.
    In der Besprechung ging es jedoch nicht um Politik, sondern um Geschäfte. Der Abgeordnete war gekommen, um verschiedene IT-Projekte der Staatsregierung durchzusprechen, um zu sehen, welche davon SIT im Auftrag der Administration realisieren konnte. Vincent nahm an diesen Gesprächen als technischer Berater teil; an ihm war es, jeweils die Machbarkeit und den Aufwand zu beurteilen.
    In den folgenden Wochen fanden
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