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Ein Kerl macht noch keinen Sommer

Ein Kerl macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Kerl macht noch keinen Sommer
Autoren: Milly Johnson
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war jetzt zu erschöpft dafür. Gordon ging so großzügig mit anderer Leute Zeit um.
    Sarah kam nach dem Mittagessen wieder, als Sable eben eingeschlummert war. Und in genau dem Augenblick, als der Postbote zwei Kataloge für Campingplätze in Blegthorpe-on-Sea brachte.
    Calums lautes, bierseliges Schnarchen weckte Dawn. Sie ging nach unten, um auf dem Sofa weiterzuschlafen, aber was sie an Stille gewann, das verlor sie an Bequemlichkeit. Das Sofa hatte seine besten Zeiten längst hinter sich, und sie hätten wirklich ein neues gebrauchen können, aber im Augenblick wurde jeder Groschen für die Hochzeit auf die Seite gelegt. Na ja, zumindest jeder ihrer Groschen. Wenigstens hatte Calum im Augenblick einen Job, und noch dazu einen, den er nicht gleich wieder hinschmiss – nicht dass er damit die dicke Kohle machte. Aber während sie selbst an allen Ecken und Enden sparte, steuerte Calum nur das bei, was aus seinem »Sozialfonds« übrig blieb. Wenn es noch lange so weiterging, würde sie für ihre Hochzeitsreise einen Kredit aufnehmen müssen, aber sie wollte das Märchen. Selbst wenn sie ihre Hochzeit bis an ihr Lebensende abbezahlen musste, sie wollte eine prunkvolle Hochzeit mit allem Drum und Dran. Sie wusste, dass es der Beginn einer Ehe war, die ihre Mum und ihr Dad sich für sie gewünscht hätten. Und später, wenn die Hochzeitsschulden abbezahlt waren, konnten sie anfangen, sich nach einem etwas besseren Haus als Calums Bruchbude umzusehen. Dawn war vor acht Monaten dort eingezogen, und sie hatte Calum noch immer nicht überreden können, irgendwelche Verbesserungen vorzunehmen. Noch immer hingen Kabel von der Decke, und zwischen kahlen Putzwänden standen Möbel, die aussahen, als seien sie von einem Sperrmüllcontainer gezerrt worden. Calum war fünf Jahre jünger als sie. Dawn sah darin eine gewisse Erklärung für seine etwas studentische Existenz.
    Calum lag noch immer im Bett, als sie vor der Doppelhaushälfte ihrer künftigen Schwiegermutter, einem Sozialbau am anderen Ende der Stadt, vorfuhr. Sie drückte auf die Hupe ihres uralten, aber zum Glück verlässlichen Fiesta, und eine Minute später kam Muriel in ausgeleierten Leggings, einem schmuddelig aussehenden Fleecepullover und Flipflops den Weg hinuntergewatschelt. Nicht dass sich Dawn je schämen würde, mit ihr gesehen zu werden. Muriel war Muriel, und Dawn liebte sie über alles, so wie sie war.
    »Morgen, Liebes.« Muriel begrüßte sie mit einem aufgeregten, zahnlückigen kleinen Grinsen. Bei den Crookes herrschten etwas raue Sitten, aber sie hatten Dawn in den Schoß der Familie aufgenommen, und das bedeutete Dawn sehr viel, da ihre eigenen Eltern vor sechzehn Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren und eine klaffende Lücke in ihrem Herzen hinterlassen hatten. Sie vermisste die beiden einfach so sehr. Sie wünschte, ihre Mum könnte jetzt neben ihr im Auto sitzen und ihr helfen, ihr Brautkleid auszusuchen. Aber danach kam Muriel Crooke gleich an zweiter Stelle.
    Als Erstes fuhren sie zu »Alles bis auf die Braut« am Stadtrand, neben dem neuen Tesco-Supermarkt. Die abgeschmackte Schaufensterauslage war abscheulich und ein klarer Hinweis auf das, was im Ladeninneren auf sie wartete. Eine kopflose Schaufensterpuppe mit einem Sprung und ohne Brüste trug ein weißes Kleid, das eher die Farbe alter, grau werdender Unterwäsche hatte und besser zu einer Klopapier-Puppe aus den Siebzigerjahren gepasst hätte. Die dazugehörige Brautjungfern-Puppe hatte immerhin einen Kopf, wenn auch mit einem Gesicht, das irgendjemand mit einer sehr unsicheren Hand und ohne jedes künstlerische Talent gemalt haben musste: Es hatte den gequälten Ausdruck eines Kindes, dem jemand zum Spaß die Unterhose bis zur Brust hochgezogen hatte. Sie sah alles andere als glücklich aus in ihrem fliederfarbenen Satinkleid, das in der Sonne längst ausgeblichen war. Vergilbendes Konfetti lag verstreut zu ihren Füßen und sah aus wie Vogelkot.
    Dawn betrat das Geschäft, aber sie wusste sofort, dass sie ihr Kleid hier nicht finden würde. Für Kunden war es ein enttäuschender Anblick. Die Auswahl war nicht sehr groß, da der Geschäftsinhaber die Brautkleider offenbar aus dem Sortiment nehmen und stattdessen Ballkleider hereinnehmen wollte. Abgesehen von der Farbe sahen alle Kleider gleich aus. Es war, als gäbe es nur einen einzigen Standardschnitt für alle – einen großen, ausladenden Rock und Puffärmel – mit leichten Abwandlungen am Ausschnitt oder an
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