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Oneiros: Tödlicher Fluch

Oneiros: Tödlicher Fluch

Titel: Oneiros: Tödlicher Fluch
Autoren: Markus Heitz
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    Prolog

    »… wünschen wir Ihnen guten Appetit bei Ihrem Frühstück. In etwa zwei Stunden, gegen 10 . 45  Uhr, erreichen wir den Flughafen Paris-Charles de Gaulle, in ungefähr einer Stunde beginnen wir allmählich mit dem Landeanflug und verringern die Flughöhe. Näheres dazu dann wieder von mir. Wenn Sie Fragen oder Wünsche haben, stehen mein Team und ich Ihnen jederzeit gern zur Verfügung.« Christine beendete die Ansage, die sie auf Französisch und auf Englisch mit charmantem Akzent tätigte. Sie machte ihren Kolleginnen Platz, die mit der Essensverteilung begannen.
    530 Passagiere in jeweils drei Klassen auf zwei Decks wollten ihr Frühstück haben. Die Chefstewardess hoffte, dass es die Laune an Bord hob. Sie hatten zwei Stunden Verspätung, weil das Personal des JFK -Airports in New York überlastet gewesen war. Oder überfordert. Oder die Technik dort zu alt. Und das geschah nicht zum ersten Mal.
    Christines Blick schweifte umher. Flug AF 023 erwachte Platz um Platz zum Leben.
    Sie mochte die Stimmung am Morgen. Die meisten Passagiere waren halbwegs munter, einige hatten noch die Schlafmasken auf den Augen und den Sitz zur Liege umgebaut, dösten vor sich hin oder hatten Kopfhörer auf den Ohren. Woanders wurde bereits ein Film geschaut; leises Gemurmel schwebte in der Luft, irgendwo in der hellen Kabine lachten Kinder. Sie musste lächeln, weil sie an ihren Sohn dachte. Olivier, sieben Jahre.
    »Schaust du bitte mal nach Sitz 81 ?«, raunte Marlène ihr zu, während sie den ersten Servierwagen aus dem Küchenbereich schob. Es roch nach frisch gebrühtem Kaffee, gebratenen Eiern, Brötchen und Croissants; der Duft verbreitete sich langsam im A 380 - 862 .
    »Was ist mit ihm?«
    »Er nervt. Er hat schon den vierten Whiskey, hing vorhin in der Bar und beschwerte sich, dass ihm das Abendessen Diarrhö beschert hätte.«
    »Was hat er gegessen?«
    Marlène rollte mit den Augen und blieb stehen. »Zuerst eine Suppe, danach Lachs auf Zitronen-Safran-Reis mit Salat, dann noch ein weiteres Stück Lachs, zwei Croissants mit Schokoladencreme. Zwei Packungen Erdnüsse, eine Packung Chips. Mit scharfem Dip. Das ist das, was ich mitbekommen habe. Claire sagte, dass er zwischendurch einige Gratis-Snacks vernichtet hat. Oh, und er hat eine halbe Flasche Gin gesoffen. Mein Magen würde da auch streiken.«
    »Ich kümmere mich darum.« Christine sandte sie mit einem Nicken nach draußen, um das Frühstück auf dem Hauptdeck zu verteilen, wo die meisten Passagiere der niedrigsten Preisklasse untergebracht waren. Bei der Air France nannte man sie ein wenig verschleiernd
Voyageurs,
was edler klang als dritte Klasse. 340 Männer, Frauen und Kinder waren hier in langen Sitzreihen hinter- und nebeneinander untergebracht. Die
Première,
die erste Klasse, war im vorderen Teil des Flugzeugs strikt davon abgetrennt.
    Christine machte sich schnell auf den Weg, damit sie gleich beim Austeilen der Portionen helfen konnte. Chefin zu sein, bedeutete mehr Verantwortung und nicht weniger Arbeit. Um zu Sitz 81 und seinem renitenten Okkupanten zu gelangen, musste sie allerdings erst ins höher gelegene Deck. Hier befanden sich 106 weitere
Voyageurs
sowie 80
Affaires,
die Business-Klasse.
    Christine nahm die nächstbeste Treppe und erreichte das Oberdeck, schritt an den Reihen der
Affaires
entlang, um weiter nach hinten vorzudringen. Um sie herum schwärmten ihre Kolleginnen und Kollegen, um das durchaus luxuriöse Frühstück zu den Fluggästen zu bringen. Sie seufzte. Ausgerechnet im dicksten Trubel musste einer der
Passagiere
den Aufstand proben.
    Im Vorbeigehen nickte sie den Stewardessen zu, die mit dem Verteilen des Essens begonnen hatten und die letzten Schlafenden mit einem gehauchten
bonjour
sanft aus den Träumen holten.
    »Entschuldigen Sie!«
    Christine zuckte zusammen, als sich kühle Finger um ihr Handgelenk schlossen und sie zum Anhalten zwangen.
    »Kann ich bitte eine Kanne besonders starken Kaffee bekommen?«
    Sie senkte den Blick und betrachtete den Mann. Er war um die vierzig, in einem vollkommen durchschnittlichen, nicht sehr kostspieligen Outfit. Christine konnte die Preise von Garderoben sehr genau einschätzen. Obwohl er sich offensichtlich ein Business-Class-Ticket leisten konnte, war seine Kleidung nicht mehr als hundert Euro wert, inklusive der Stiefel: Jeans, kariertes Hemd, Halstuch. Ein Pseudocowboy, obwohl er dem Akzent seines Englischs nach wohl aus Skandinavien kam. Er hatte ungepflegtes, blondes
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