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Ein Jahr ohne Juli (German Edition)

Ein Jahr ohne Juli (German Edition)

Titel: Ein Jahr ohne Juli (German Edition)
Autoren: Liz Kessler
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deren Ende ich nicht sehen kann. Hat Juli Mikey hier zum Galopp angetrieben? Ein Gedanke durchfährt mich so plötzlich, dass es mir fast den Atem nimmt: Wenn das jetzt mir passiert? Wenn Angus über das Feld galoppiert und ich diejenige bin, die abgeworfen wird, die ins Krankenhaus …
    »Okay, versammelt euch alle um mich«, ruft Carol die Gruppe zusammen und macht meinen Gedanken zum Glück ein Ende. »Diejenigen von euch, die hier gerne einen leichten Galopp reiten wollen, können das machen. Wir reiten in die Richtung auf den Bach und den Wald zu.« Sie deutet auf ein paar Bäume in der Ferne. »Hände hoch, wer galoppieren will.«
    Die vier Mädchen heben die Hände. Juli ebenfalls, die übrigen, Mark, Mikey, ich und das ältere Paar, nicht.
    »Mikey, du kannst doch galoppieren – komm mit uns«, flüstert Juli.
    »Er soll lieber mit mir reiten«, sage ich scharf, ehe er antworten kann. Juli sieht mich nur komisch an und gesellt sich zu den anderen Mädchen.
    »Gut, ihr reitet mit Sue voraus«, sagt Carol. »Die anderen bleiben dicht bei mir, okay?«
    Ich nicke, klammere mich an den Zügel und sehe den anderen nach, die über das Feld galoppieren, Juli allen voran. Mikey ist direkt vor mir. In Sicherheit. Ich fange fast wieder normal zu atmen an. Fast geschafft, fast geschafft.
    »Wir gehen einen lockeren Trab«, sagt Carol. »Ist euch das recht?«
    Wir traben los, und ich werde im Sattel hin und her geworfen und rutsche ziemlich. Ich halte mich hinter den anderen, damit sie es nicht merken. Jedes Mal, wenn Carol sich umsieht, stemme ich mich in den Steigbügeln hoch, wie die anderen es machen.
    »Jetzt ein Stück am Fluss entlang, dann den Weg zur Mile End Farm, dann haben wir die Hälfte.«
    Mile End Farm! Es schnürt mir wieder den Hals zu.
    »Klingt prima«, zwinge ich mich zu sagen. Die anderen lächeln und nicken.
    Als wir uns dem Fluss nähern, erkenne ich die Umgebung. Hier haben sie den Nachrichtenbeitrag gefilmt. Wir sind schon in der Nähe der Farm. Hier ist es passiert.
    Alle warten auf der anderen Seite des Flusses. Sogar Mikey ist schon drüben.
    Aber ich kann einfach nicht. Das Pferd, Angus, ist zum Fluss galoppiert und ans Ufer hinunter, ohne langsamer zu werden. So ist Mikey abgeworfen worden. Und jetzt macht es das Gleiche mit mir. Diesmal wird es mir passieren.
    Nein. Nein, so muss es nicht laufen. Ich galoppiere nicht, ich bin nicht Mikey, ich habe in die Geschehnisse eingegriffen und sie verändert. Ich bin sicher. Ich schaffe es.
    »Komm, Jenny«, ruft Carol hinter mir. Ich fasse die Zügel mit festem Griff, ziehe Angus’ Kopf heran, so dass er etwas ruckartig am Ufer entlangtänzelt. Wenn ich nicht aufpasse, wirft er mich ab. Ich muss jetzt hinüber.
    Juli beobachtet mich von der anderen Seite mit einem Lachen in den Augen. Mikey steht neben ihr und starrt mich an, wie alle anderen auch.
    »Nun komm schon, Jenny. Worauf wartest du?«, ruft er.
    Warum versteht ihr alle das denn nicht? Die Lage ist ernst!
    Dann trifft Angus selbst eine Entscheidung und tritt in den Bach. Ich kann nicht hinsehen. Ich habe die Augen fast ganz geschlossen, während er anmutig hindurchreitet. Zwei Sekunden später sind wir durch. Wir sind drüben! Ich würde am liebsten schreien und lachen. Wir haben den Unfall umgangen! Ich habe alles verändert! Mikey ist nichts passiert, und mir wird auch nichts passieren!
    Ich würde es so gerne jemandem erzählen. Wenn mir Juli nur zuhören würde! Alles, was wir uns erzählt haben, die ganzen Sci-Fi-Geschichten, die wir uns ausgedacht haben – vielleicht würde sie es ja doch verstehen, wenn ich den richtigen Weg fände, es ihr zu erzählen. Das werde ich auch, eines Tages.
    Wir reiten den Weg hinauf, und ich merke, wie ich mehr Selbstvertrauen gewinne. Ich reite an zwei der Mädchen vorbei und hole Juli ein, die ganz vorne ist. Ich werde ihr alles erzählen, auf scherzhafte Weise oder so. Ich werde die zweite Stunde unseres Ausritts genießen, den Rückweg zum Stall. Alles geht gut aus; ich weiß es. Mikey reitet neben Juli, beide sind ganz locker und vergnügt – und ich fühle mich fast so entspannt wie sie, nachdem ich den Unfall abgewendet habe.
    »Juli!«, rufe ich, während ich an den anderen vorbeireite. Ich grinse und warte darauf, dass sie sich umdreht. Ich mache einen Bogen um die beiden Mädchen, die hinter ihr sind.
    »Jenny, pass auf!«, ruft Carol von hinten. »Du bist mitten auf der Straße!«
    Alles geht ganz schnell.
    Hinter mir taucht ein Auto
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