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Ein Jahr ohne Juli (German Edition)

Ein Jahr ohne Juli (German Edition)

Titel: Ein Jahr ohne Juli (German Edition)
Autoren: Liz Kessler
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auf. Zu schnell. Es rast die kleine Landstraße mit ungefähr hundert Stundenkilometern entlang, saust vorbei und streift mich fast.
    Angus steigt und wirft den Kopf hoch. Ich umklammere die Zügel. In dem Moment blickt Mikey zurück, um zu sehen, was los ist. Ich sehe den Schrecken in seinem Blick.
    Indem ich fest an den Zügeln zerre, kann ich Angus von der Straße zurücklenken. Mir ist fast die Luft weggeblieben vor Angst, und jetzt atme ich erleichtert auf. Das war wirklich knapp.
    Doch dann richte ich den Blick nach vorne. Ich kann es fast in Zeitlupe miterleben, Bild um Bild. Mikeys Pferd, das vor dem Auto scheut, schert auf die Straße aus und bäumt sich auf wie ein Rodeo-Pferd, während das Auto schon in der Ferne verschwindet. Mikeys Gesicht ist verzerrt vor Angst. Er sitzt nicht mehr fest im Sattel, klammert sich an die Mähne und wird dann nach vorne geschleudert, als Mouse wieder Boden unter die Hufe bekommt.
    »Juli! Hilfe!«, schreit er. Mouse schlägt jetzt mit den Hinterbeinen aus. Mikey hat die Kontrolle vollkommen verloren.
    Mikey. Es schnürt mir die Kehle zu.
    Und dann fliegt er durch die Luft. Mouse hat ihn abgeworfen. Es folgt ein stiller Moment, als ob wieder Ruhe eingekehrt sei. Und dann das schlimmste Geräusch der Welt – ein entsetzlicher Aufprall, als Mikey aufschlägt.
    Die Reiter springen von ihren Pferden. Ich sitze nur da und starre mit offenem Mund auf den kleinen Bruder meiner besten Freundin, der bewegungslos auf der Straße liegt.
    Es ist genau wie beim ersten Mal. Ich kann nichts sagen, bringe keinen Ton heraus.
    Die ganze Geschichte. Alles, was ich durchgemacht habe, und nichts hat es verändert.

14

    Ich springe von Angus ab und reiche Mark, der neben mir angehalten hat, die Zügel. Alle haben sich um Mikey versammelt. Ich eile zu Juli.
    »Mikey, kannst du mich hören?«, frage ich atemlos.
    Da schlägt Mikey die Augen auf und verzieht das Gesicht zu einer Grimasse. »Klar«, sagt er. Und dann setzt er sich langsam auf. Er setzt sich auf! Es ist ihm nichts passiert!
    Er reibt sich den Kopf und steht vorsichtig auf.
    »Mikey, bist du sicher, dass es dir gutgeht?«, fragt Juli und hält ihn am Arm.
    Er schüttelt sie ab. »Alles okay. Nichts Ernstes.«
    Einen Moment später steht Carol vor ihm. »Mikey, wo tut es weh?«, fragt sie.
    »Es ist nur mein Kopf. Ich hab ihn mir ein bisschen angeschlagen. Es geht mir gut, ehrlich!«
    Ich bin so erleichtert, dass ich nichts sagen kann. Ich habe es doch verändert – ich habe es erreicht. Mikey geht es gut. Alles ist in Ordnung!
    Doch dann geschieht etwas, das mir schrecklich bekannt vorkommt, auch wenn ich nicht weiß, warum. Carol holt ihr Pferd von Sue und übergibt ihr stattdessen Mikeys Pferd. »Führ du bitte Mouse zurück, ja?«, sagt sie. »Ich finde, Mikey sollte mit mir auf Misty zurückreiten.«
    »Es geht mir gut. Hört doch auf, alle so ein Getue zu machen!«, wehrt sich Mikey. »Ich kann selbst zurückreiten.«
    Carol schüttelt den Kopf. »Nur zur Sicherheit.« Dann hilft sie ihm auf ihr Pferd und steigt hinter ihm auf. »Wir reiten ganz geruhsam zum Reitstall zurück. Mir nach, Leute. Sue, du machst diesmal die Nachhut.«
    Sie reitet im Schritt los, Mikey vor sich im Sattel, und alle anderen folgen ihr. Und ich kann mich nicht bewegen. Ich bekomme kein Wort heraus. Ich bin wie gelähmt – denn mir ist etwas Schreckliches klargeworden. Etwas, das ich nur aus dem Nachrichtenbericht weiß, der heute Abend im Fernsehen kommen wird.
    Genau das ist auch beim letzten Mal passiert.

    »Komm schon, Trödelliese, worauf wartest du?«, sagt Juli, die neben mich geritten ist. Im Schritt reiten wir den Weg an Mile End Farm vorbei. Ich überlege, was ich zu Carol sagen kann und was ich tun kann, um einzugreifen – obwohl ich mich tatsächlich auch frage, ob es Mikey nicht doch gutgeht. Aussehen tut er zumindest so.
    »Das war knapp, was? Ich hab schon kurz gedacht, dass es aus ist mit ihm!«, sagt Juli und lacht.
    Wie kann sie nur lachen?
    Ich suche gerade verzweifelt nach einer Antwort, als vor uns ein Auto in den Weg einbiegt.
    Dad! Er ist da!
    Er hält an und steigt in dem Moment aus dem Wagen, als Carol und Mikey bei ihm sind. Sie halten neben dem Wagen an. Ich treibe Angus etwas an, um sie einzuholen.
    »Na, was ist denn hier passiert? Hast wohl keine Lust mehr, was?«, fragt Dad Mikey mit einem Augenzwinkern.
    Mikey grinst Dad an. »Alles in Ordnung«, sagt er. »Bin nur vom Pferd gefallen, und sie wollen mich nicht
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