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Ein Jahr ohne Juli (German Edition)

Ein Jahr ohne Juli (German Edition)

Titel: Ein Jahr ohne Juli (German Edition)
Autoren: Liz Kessler
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Freunden eine aufregende Geschichte erzählen – aber mehr nicht. Wenn Sie ihn nicht so schnell hergebracht hätten, hätte es ganz anders ausgehen können. Eine Stunde länger, und die Blutung hätte sich so entwickeln können, dass sie nicht mehr zu kontrollieren gewesen wäre.«
    »Was hätte das bedeutet?«, fragt Juli.
    Dr. Wilson schüttelt den Kopf. »Kann man nicht so genau sagen. Aber möglicherweise einen Gehirnschaden, ein Koma … es hätte sogar tödlich ausgehen können.« Er wendet sich an Dad. »Aber dank Ihrer Hilfe, Mr Green, wird Mikey wieder ganz gesund.«
    Ich sehe zu Dad hinüber. Er starrt mich an. Seine Augen sind feucht. Noch nie habe ich meinen Vater weinen sehen. Er versucht etwas zu sagen. Dann kratzt er sich die Stirn und schüttelt den Kopf. »Es war Jenny«, krächzt er. »Es ist Jenny zu verdanken.«
    Dr. Wilson kommt zu mir und sieht mich an. »Dann bist du, meine Liebe, eine tapfere, kluge und glückliche junge Dame. Man darf sich gar nicht vorstellen , was ohne dein Eingreifen passiert wäre.«
    »Nein«, erwidere ich und verdränge die Bilder von einer Welt, in der ich genau wusste, was passiert wäre, aus meinem Kopf. Ich erwidere seinen Blick, und zum ersten Mal seit einer Ewigkeit, so kommt es mir vor, kann ich wieder lächeln. »Sie haben recht. Das will ich mir lieber nicht vorstellen.«

    Der letzte Tag unserer Woche hier ist angebrochen, und ich muss noch etwas erledigen.
    »Ich gehe Juli besuchen«, sage ich zu Mum und Dad. Sie sitzen schmusend auf dem Sofa und sehen sich eine Elternzeitschrift an. Craig hockt auf dem Boden und repariert einen winzigen Bagger. Ich bleibe stehen und sehe sie alle an. Mums Gesicht ist so zufrieden. Ob es so bleibt? Bleiben sie beide auch so – verliebt, entspannt, zusammen?
    »Richte allen viele Grüße aus«, sagt Mum und sieht auf aus ihrem Glücksdasein. Ich lächele sie an, und da kann ich in ihren Augen fast die Zukunft sehen. Und erkenne, dass es keinen Grund gibt, anzunehmen, irgendetwas würde schieflaufen, jetzt, nachdem es Mikey gutgeht. Keinen Grund für Mum, sich verrückt zu machen, dass sie ein Kind verlieren könnte. Mum und Dad kommen klar miteinander – da pass ich schon auf.
    Ich gehe hinüber und gebe beiden einen Kuss. »Das tue ich«, sage ich. Und dann mache ich mich zu Julis Apartment auf – mit dem normalen Aufzug. Auf keinen Fall betrete ich je wieder den anderen Fahrstuhl!
    Von drinnen höre ich Musik, und der Duft nach Räucherstäbchen wabert heraus. Ich lächle, weil das bei den Leonards alles Anzeichen von Normalität sind, und klopfe an.
    Julis Mutter öffnet die Tür. »Hi, Jenny«, sagt sie, »komm rein.«
    Juli sitzt neben Mikey auf dem Sofa. Sie sehen sich zusammen einen Zeichentrickfilm an. Mikey hat einen Verband um den Kopf und macht ein sehr mürrisches Gesicht.
    »Wie geht’s, Mikey?«, frage ich und setze mich zu ihnen.
    Als Antwort brummt er etwas Unverständliches.
    »Er ist so unglücklich«, sagt Juli. »Sein Kopf tut ihm noch zu sehr weh, als dass er Spiele spielen oder herumrennen und was Aufregendes machen könnte.«
    »Haben sie gesagt, wie lange es dauert, bis er sich wieder wohlfühlt?«
    »Höchstens zwei Wochen, schätzen sie. Dann ist alles wieder normal. Na ja, so normal, wie es bei Mikey überhaupt werden kann!« Juli grinst mich an. »Eine von den Krankenschwestern hat dich eine Heldin genannt«, sagt sie. »Ich habe ihr erzählt, dass du meine beste Freundin bist, und sie hat gemeint, da sei ich ja wohl das glücklichste Mädchen in England, so eine tolle Freundin zu haben.«
    Ihre Worte sind wie Sonnenschein, der mich von innen her wärmt.
    »Ich habe geantwortet, dass sie da völlig falschliegt«, fährt Juli mit einem spitzbübischen Glitzern in den Augen fort.
    Das warme Gefühl verfliegt sofort wieder. »Oh.«
    Dann strahlt mich Juli so an, dass es im Raum noch eine Spur leuchtender und heller wird. »Ich hab ihr gesagt, dass ich das glücklichste Mädchen der Welt bin!«
    Ich grinse zurück. »Und ich auch«, sage ich. Und zum ersten Mal wird mir klar, was das heißt, beste Freundinnen . Es hat nichts damit zu tun, Juli für die wunderbarste Person auf Erden zu halten und mich für die glücklichste, weil so jemand meine Freundin ist. Niemand ist die wunderbarste Person. Wir sind alle so, wie wir sind. Ich finde zwar immer noch, dass sie genial ist. Aber ich verdiene sie auch, weil – wisst ihr was? Ich bin auch nicht so schlecht.
    »Beste Freundinnen für immer
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