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Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Hummer macht noch keinen Sommer
Autoren: Tanja Wekwerth
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Entscheidung.«
    »Selbstverständlich.« Theodor nickte. Dann räusperte er sich. »Ich habe Eclairs im Kühlschrank. Von Délices Normands . Magst du?«
    »Jetzt hast du es wieder geschafft!«
    »Was?«
    »Dass ich ein schlechtes Gewissen habe«, klagte David.
    »Soll ich mich entschuldigen?« Theodor ging in die Küche. »Möchtest du Kaffee oder Tee?«, rief er von dort.
    »Nein.«
    »Ich mach mir einen Hagebuttentee, möchtest du wirklich nicht?«
    »Nee.«
    David ließ sich auf das Sofa fallen, schaltete den Fernseher ein und atmete tief durch. Diesmal schien der Kelch an ihm vorübergegangen zu sein. Trotzdem fühlte er sich miserabel. Theodor war so liebenswert, so weltoffen, so charmant. Wenn er durch den Park spazierte, kam er an keinem Kinderwagen vorbei, ohne verzückt hineingespäht und mit den Müttern geplaudert zu haben, er sprach auch mit den Senioren, die im nahe liegenden Altersheim wohnten und ihren täglichen Gang am See entlang machten. Die Kinder auf dem Spielplatz winkten ihm zu, und er winkte zurück. Theodor interessierte sich wirklich für die Menschen, egal, woher sie kamen, egal, wie alt sie waren, und deshalb liebten ihn alle. Theodor, Theodor, Theodor, dachte David plötzlich genervt. Theodor fehlte nur noch ein Heiligenschein. Selbst die Enten im Park schnatterten ihm freundlich entgegen.
    In Windeseile zappte sich David durch das spätabendliche Programm.
    Mit einer Tasse setzte sich Theodor aufs Sofa und reichte David einen Dessertteller mit zwei schokoladeüberzogenen Eclairs. »Was gefunden?«
    »Nö.« David starrte auf den Teller. »Wollen wir noch mal rausgehen?«
    »Ich bin müde. Lass uns lieber eine DVD sehen. Wie wäre es mit Doris Day? Ein Hauch von Nerz ?«
    »Gleich.« David zappte weiter und verschlang dabei die beiden Eclairs. Er hatte immer noch Hunger.
    »Halt!«, rief Theodor plötzlich. »Was war denn das eben? Schalt mal zurück.«
    »Astro- TV ? Soll Sarina einen Blick in deine Zukunft werfen?« David kicherte mit vollem Mund.
    »Nein, nein, noch weiter zurück.« Theodor war ganz aufgeregt. »Genau. Halt. Stopp! Die Büchershow. Das ist Natalie Schilling.«
    »Wer ist Natalie Schilling?«
    Theodor starrte, ohne Antwort zu geben, auf den Bildschirm.
    »Kennst du die?«, fragte David weiter.
    »Ja, doch.«
    »Woher denn?«
    »Pssst.«
    »Gut sieht sie aus.« David nickte anerkennend und leckte sich Schokolade vom Daumen. »Ein bisschen wie Andrea Sawatzki. Ich mag ja diesen rothaarigen Sommersprossen-Typ. Obwohl ihr das helle Blau nicht steht. Sag ihr das mal bei nächster Gelegenheit.«
    »Ich bin ihr Therapeut, nicht ihr Stylingberater«, entgegnete Theodor gereizt.
    »Ha! Jetzt hast du dich verplappert!«, feixte David.
    »Halt mal den Mund, David, ich will zuhören.«
    »… verstörend und ungemein faszinierend geschrieben«, sagte Natalie gerade und hielt ein Buch in die Höhe. »Sie werden sich dem mysteriösen Zauber dieses Vampirromans einfach nicht entziehen können …«
    »Meinst du, sie hat Botox um die Augen?«, fragte David.
    »Pssssst.«
    »Eine verdrehte Welt wird hier sehr überzeugend geschildert, in der das Böse anziehend und erstrebenswert scheint, während das, was wir bisher als gut und richtig erachtet haben, ins Blutleere absinkt. Dieser Roman verdreht einem geradezu den Kopf. Seien Sie wachsam beim Lesen, denn das Gift wirkt nachhaltig.« Natalie lächelte maliziös in die Kamera. Dann wurde abgeblendet, und ein Mann in einem schwarzen Rollkragenpullover kam ins Bild.
    »›Der ontologische Unterschied‹«, sagte er mit gekränkter Miene, »heißt mein neues Buch, das gesellschaftliche Krusten aufbrechen wird.«
    »Was für ein Schwätzer«, sagte David. »Ist erVogelkundler?«
    Theodor machte eine Grimasse. »Nicht ornithologisch.«
    »Vielleicht onkologisch?«
    »Was auch immer ihn plagt, er sollte Bungee springen oder mit Haien tauchen, dann würde er die Menschheit nicht mit seinen Sottisen quälen.«
    David lachte und senkte die Lautstärke des Fernsehers.
    »Aber meine kleine Natalie hat sich doch gut geschlagen«, sagte Theodor eifrig.
    » Deine kleine Natalie? Wie besitzergreifend du sein kannst.«
    »Ich finde sie nett.«
    »Was erzählt sie denn so?«
    Theodor spielte an seinem Ring. »Das darf ich doch nicht sagen.«
    »Seit wann denn das?«, fragte David und streckte sich auf dem Sofa aus. »Du erzählst mir doch sonst immer alles. Und du musst zugeben, dass ich dir schon sehr häufig gute Ratschläge geben konnte.«
    »Ich
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