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Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Hummer macht noch keinen Sommer
Autoren: Tanja Wekwerth
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bewundern und erst in dem Augenblick, da das Schiff die Spitze eines Eisberges rammt, zu erkennen, dass es die Titanic ist.
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Das Geheimnis von Brokkoli-Nuss-Eckchen
    Wenn man Rezepte nicht aus sicherer Quelle beziehen kann, sollte man vorsichtig sein. Es könnte etwas faul daran sein. Aber lesen Sie selbst:
    »Kinderleicht zuzubereiten«, sagte meine Freundin Susanne und diktierte mir verschiedene Zutaten. »Du mischst das alles zusammen, gießt es auf ein Blech und schiebst es für zwanzig Minuten in den Ofen. Hinterher zerschneidest du alles in Eckchen. Fertig! Absolut einfach und köstlich!« Spätestens jetzt hätte ich stutzig werden müssen. Das Ganze klang zu unkompliziert.
    Noch am gleichen Abend buk eine Brokkoli-Nuss-Eckchen-Masse im Ofen und verströmte Wohlgerüche. Ich entkorkte eine Flasche Weißwein, die ersten Gäste klingelten an der Tür, wir nahmen Platz, wir prosteten uns zu. Vielen Dank, liebe Susanne, dachte ich im Geist, für das tolle, einfache Rezept. Wenig später ging ich in die Küche, um mich zu vergewissern, dass sich, wie Susanne mir prophezeit hatte, eine goldene Kruste auf dem Brokkoli-Nuss-Teig gebildet hatte. Ein grünlicher Brei blubberte mich an und sah alles andere als appetitlich aus. Von Knusperkruste war keine Rede.
    Etwas irritiert schaltete ich den Ofen auf Maximaltemperatur und eilte zurück zu den Gästen. Irgendetwas musste jetzt auf den Tisch gebracht werden. Nur was? Alarmiert rannte ich wieder in die Küche und starrte in den Ofen. Fades Grün waberte dort recht unmotiviert. An den Ecken färbte es sich gerade schwarz. Mehr war nicht geschehen. Was war los? Das Zeug war jetzt seit über einer halben Stunde im Ofen und weigerte sich, sich in Brokkoli-Nuss-Eckchen zu verwandeln.
    Vorsichtig zog ich das Ofenblech heraus und begutachtete das, was ich meinen Gästen anzubieten hatte: ein knackendes, steinhartes Brett.
    »Sind das die legendären Brokkoli-Nuss-Eckchen von Susanne?«, fragte eine der eingeladenen Frauen, die unbemerkt in die Küche gekommen war.
    »Woher weißt du das?«, wollte ich wissen.
    Sie lachte. »Bei mir sahen sie genauso aus, nur noch etwas verbrannter am Rand. Und dann fand ich heraus, dass Susanne eine viel zu große Menge Mehl in ihrem Rezept angibt. Außerdem muss noch ein Viertelliter Milch hinein!«
    »Diese Schlange!«, rief ich und holte Chips und Oliven aus der Speisekammer. Heute Abend würde es keine Brokkoli-Nuss-Eckchen mehr geben.
    Am nächsten Tag rief Susanne an, um sich nach dem Gelingen meiner Vorspeise zu erkundigen. »Ach, einfach köstlich!«, rief ich in den Hörer. »Und kinderleicht zubereitet!«
    Ich hatte den Eindruck, dass sie kurz stutzte. Doch dann sagte sie: »Wunderbar, das freut mich. Sag mal, hättest du vielleicht ein gutes Rezept für Mousse au Chocolat für mich?«
    »Oh ja«, antwortete ich grinsend. »Hast du was zu schreiben? Es ist wirklich kinderleicht zuzubereiten.«
    Aufatmend drückte Natalie auf die linke Strg-Taste und zeitgleich auf P. Die Kolumne für La Cuisine wäre geschafft. Kurz darauf warf der Drucker den Text aus. Zur Sicherheit. Natalie druckte immer alles noch einmal aus und füllte damit die Schubladen ihrer auf Louis-seize getrimmten Kommode.
    Jetzt schnell noch etwas Witziges, Lifestyle-Artiges für die Divina , dann könnte sie endlich ins Bett gehen. Es war schon kurz nach Mitternacht. Wie wäre es mit den Vor- und Nachteilen brasilianischer Schamhaarentfernungsmethoden? Natalie streckte sich und gähnte. Dann starrte sie eine Weile auf den Bildschirm, versuchte sich ein »Ich bin wie Carrie aus Sex and the City «-Gefühl zu vermitteln, summte die Anfangsmelodie. Aber es gelang ihr nicht. Berlin ist nicht New York. Und sie hatte nicht halb so viele Männergeschichten in ihrem ganzen Leben gehabt wie Carrie in einer Woche. Oder war es die andere? Samantha? Natalie gähnte wieder. Sex wurde doch vollkommen überschätzt. Sie hatte sich nie besonders viel daraus gemacht. Außerdem lebte sie gern allein.
    Als sie im Laufe der Neunzigerjahre gemerkt hatte, dass alle ihre Freundinnen heirateten und dann hintereinanderweg Kinder zur Welt brachten, war ihr klar geworden, dass der Startschuss schon vor einer Weile gefallen sein musste und dass bloß sie immer noch an der Linie herumtrödelte, anstatt loszurennen. Sie hatte sich dann mehr auf ihren Beruf konzentriert, dadurch einige Freundschaften verloren, andere dazugewonnen. Alles hatte sich ein wenig verschoben.
    Manchmal hatte sie
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