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Ein Hueter erwacht

Ein Hueter erwacht

Titel: Ein Hueter erwacht
Autoren: Vampira VA
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ließen die Zwölf ihn stehen und gingen dem jungen Mann nach.
    Der Vampir sah dorthin, wo die Trümmer des Cembalos lagen, die von grauem Staub bedeckt waren. Und dazwischen - eine dunkle Livree .
    »Wartet«, zischte Geraint. »Ich komme mit. Da ist noch eine Rechnung offen.«
    Dann schloß er sich der unheimlichen Prozession an.
    *
    Ziellos lief Sham durch die Abenddämmerung. Dabei hielt sie sich stets in den Schatten und benutzte verlassene Gassen und Straßen, soweit es ihr möglich war. Trotzdem blieb sie nicht völlig unbemerkt, und obwohl ihr niemand mit wirklichem Entsetzen begegnete, wich man ihr doch aus.
    Schmerz und Zorn über den eigenen Tod wichen langsam aus dem Mädchen. Verzweiflung trat an deren Stelle. Verzweiflung, die aus dem Wissen um ihr künftiges Schicksal kam.
    Sie würde eine Ausgestoßene sein, eine Tote unter Lebenden. Einsamkeit würde fortan ihr einziger Begleiter sein. Auf ewig, denn sie war schon einmal gestorben, und nichts, das wußte sie mit grausamer Gewißheit, würde sie noch einmal töten und erlösen können.
    Es sei denn .
    Shams verbrannte Züge zuckten im Aufruhr ihrer Gedanken - ih-rer Idee! Wenn es mehr von ihrer Art gäbe, dann könnten sie ihr Gesellschaft sein, ihr Leid teilen.
    Es war den Versuch wert.
    Shams Finger schlossen sich fester um den Kelch. Ihre Schritte wurden zielstrebiger.
    Der Fluß Yamuna war ihr Ziel. Wo Pilger aus dem ganzen Land sich versammelten, an jedem Tag, zu jeder Zeit. Wo all diese Menschen der Erleuchtung harrten.
    Sham wollte sie ihnen bringen.
    Und fast schien es ihm, als schimmere schon ein Hauch davon im Dunkel des Kelches.
    Ein schwaches Leuchten. Wie ein Licht am Ende des Tunnels .
    *
    Geraint nahm sich vor, nie wieder nach Delhi zurückzukehren. Wenn es ihm denn vergönnt war, die Stadt je wieder zu verlassen .
    Delhi war eine Kloake, nichts anderes. Zumindest in jenen Teilen, durch die sie sich gerade bewegten, immer diesem jungen Kerl folgend, der ihnen die Richtung wie ein lebender Kompaß bestimmte.
    Links und rechts der Wege türmten sich Unrat und Dreck. Und je näher sie dem Fluß kamen, desto übler wurde die Szenerie. Kranke kauerten allerorten, und einigen von ihnen war der Tod spürbar schon so nahe, daß sie den nächsten Tag nicht mehr schauen würden. Ihr Wehklagen wehte wie geisterhafter Chorgesang durch die Gassen.
    Braun wie Schlamm wälzte Yamuna sich durch sein breites Bett, und sein Gestank trug weit über die Ufer hinaus. Die Menschen dort schienen jedoch unempfindlich dafür zu sein. Zu Hunderten, wenn nicht gar zu Tausenden hatten sie sich hier eingefunden, und viele von ihnen standen bis zu den Hüften in der Brühe, rieben sich gar damit ein, als wäre es der feinste Balsam.
    Geraint wußte nicht, im Zeichen welcher Gottheit dieser Tag und die anbrechende Nacht standen. Für die Religion der Hindus hatte er sich nie sonderlich interessiert. Und nun, da er die Gläubigen in den dreckigen Wassern stehen sah, wußte er auch, warum. Das Gehabe schien ihm völlig absurd.
    Aber er war schließlich nicht hierher gekommen, um darüber nachzusinnen. Er wollte diese verfluchte Kreatur zur Rechenschaft ziehen für das, was sie ihm angetan hatte - und er wollte den Kelch zurückhaben!
    Ein Stück vom Flußufer entfernt blieb Radhey Pai stehen, und auch die Zwölf verhielten im Schritt.
    Schweigend streckte der junge Mann den Arm aus, deutete auf eine Stelle des Flusses, wo sich die Menschen dicht an dicht drängten.
    »Da ist er«, sagte Radhey.
    Geraint hatte es im selben Moment erkannt.
    In der Mitte der Menge stand Sham. Die Nackten umringten sie wie etwas besonders Sehenswertes.
    Und sie - taufte die Menschen?
    So schien es in der Tat. Wieder und wieder tauchte sie den Kelch ins Wasser, schöpfte daraus und goß es über den Köpfen der Umstehenden aus.
    »Was tut sie da bloß?« murmelte Geraint.
    Irgend etwas ging mit den solcherart Getauften vor. Sie rückten von Sham ab, machten anderen Platz, und sie schienen dem Vampir wie - trunken; oder irre .?
    Schweigend setzten sich die Zwölf in Bewegung. Sie gingen an Betenden vorüber und erreichten schließlich das Wasser, stiegen hinein und näherten sich Sham.
    Geraint und Radhey Pai blieben zurück wie unbeteiligte Zuschauer. Der junge Mann stand wie verloren da, der Vampir lauernd, abwartend. Er spürte - etwas. Wie ein Schatten legte sich dieses Etwas über das Szenario, und Geraint wußte, daß er gut beraten war, wenn er sich zurückhielt.
    Die Zwölf
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