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Ein Hueter erwacht

Ein Hueter erwacht

Titel: Ein Hueter erwacht
Autoren: Vampira VA
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erreichten Sham. Ein aus der Distanz lautloses Ringen entstand.
    Und dann geschah es, trat ein, was Geraint eben noch nur gespürt hatte!
    Er kam.
    *
    Der Abendhimmel verdunkelte sich vollends, als brodelnde Wolken aus dem Nichts kamen.
    Das Wasser des Flusses wurde schwarz darunter.
    Dann schob sich etwas wie ein Schatten zwischen Himmel und Erde, fraß für die Dauer einer Sekunde alles Licht, hüllte den Fluß und seine Ufer in vollkommene Finsternis, die nicht einmal Geraint mit seinem besonderen Blick zu durchdringen vermochte.
    Und als der Schatten wich und Helligkeit wie flüssig umkroch, sah er ihn.
    Sahen alle ihn!
    Die Menschen am Fluß und seinen Ufern warfen sich zu Boden, während er zwischen ihnen einherschritt - eine dunkle Gestalt, wie in ein Gewand aus Schatten gekleidet, groß und kräftig und von einer Aura umgeben, die blanke Macht war.
    Selbst Geraint erzitterte darunter.
    Am Ufer des Yamuna blieb der Fremde stehen. Schweigend streckte er die Hand aus, und als überwinde er mit der bloßen Bewegung die Distanz, ruhte plötzlich der Kelch in seinem Griff.
    Wortlos wandte der Unheimliche sich wieder ab. Nach einigen Schritten jedoch verharrte er noch einmal, sah wieder zum Fluß hin, dann auf den Kelch, und schließlich wieder zurück.
    Etwas folgte dabei dem Weg seines Blickes, wie eine leuchtende Spur, die kräftiger wurde, je näher sie der Oberfläche des Yamuna kam, und schließlich gleißend hell, als sie mit dem Wasser verschmolz.
    In weitem Umkreis leuchtete der Fluß darunter auf. Seine Wasser kochten in unirdischer Hitze. Und alles darin verbrannte.
    Als wäre nichts geschehen, als hätte nicht er die Todesschreie im Fluß ausgelöst, drehte der Fremde mit dem Kelch sich wieder um und schritt weiter - um unvermittelt direkt vor Geraint zu erscheinen, wie aus dem Nichts getreten!
    Der Blick seiner dunklen Augen bannte Geraint, wie es sonst nur der seine mit Menschen tat.
    Die Züge des anderen schienen ihm kalt und starr wie aus Marmor gehauen, uralt und ewig jung in einem. Und seine Stimme war wie ein Sturm, der an seinem Innersten zerrte.
    »Wisse, daß eine neue Zeit anbricht.«
    Elfenbeinfarbene Spitzen schimmerten unter der Oberlippe des anderen.
    »Du ...«, begann Geraint, »... bist ein - Vampir?« Zweifel und Verwirrung ließen seine Stimme fremd klingen.
    »Ich bin der letzte der Hohen. Gehe hin und trage meinen Namen unter unser Volk.«
    »Unser Volk?« echote Geraint. »Unser Volk ist ... nicht mehr.«
    Der andere schwieg einen Moment lang, ehe er wie nachsinnend und zu sich selbst sagte: »Wenn dem so ist, dann mag dies der Grund sein, weshalb ich erwachen mußte.«
    »Wer bist du?« fragte Geraint zögernd.
    Der andere wandte sich um, und ein einziger Schritt schien ihn in weite Ferne, außer Sicht zu tragen.
    Seine Antwort vernahm Geraint als verwehenden Hauch.
    »Anum ...«
    *
    Geraint stand noch eine lange Weile wie gelähmt da.
    Er hatte das sichere Gefühl, Zeuge von etwas Bedeutsamem, von etwas wirklich Großem geworden zu sein. Und aller Verwirrung zum Trotz, die in ihm herrschte, fühlte er keine Furcht oder auch nur etwas Ähnliches. Nur Hoffnung keimte in ihm.
    Schließlich wandte er sich ab von dem Chaos, das jener, der sich Anum nannte, an den Ufern des Yamuna hinterlassen hatte.
    Geraint berührte Radhey Pai an der Schulter. Der junge Mann stand noch immer wie in Trance da, und erst die Berührung des Vampirs schien ihn aus seinem Traum zu wecken.
    Ihre Blicke begegneten sich, doch ehe Radheys Augen sich mit eigenem Glanz füllen konnten, erstickte er auch schon unter dem, was Geraint hineingab.
    »Komm mit«, sagte er ruhig.
    Und Radhey tat, wie ihm geheißen ward.
    Er folgte dem Vampir, wie ein Mann namens Alfred es einst getan hatte.
    Epilog
    Schneidender Wind fuhr um die höchsten Zinnen des Berges Ararat. Kristalle aus ewigem Eis stoben auf und hüllten die einsame Gestalt dort oben wie in einen flirrenden Wirbel aus feinsten Diamantsplittern.
    Doch Anum war nicht empfänglich für Wind noch Wetter.
    Er war zum Dunklen Dom - oder an den Ort wenigstens, der den Hütern einst Heimstatt gewesen war - zurückgekehrt, nachdem er sich geholt hatte, weswegen er aufgebrochen war: Der Kelch ruhte in seinen Händen, und noch ohne mit geistiger Macht in den Gral eingedrungen zu sein, spürte Anum, daß vieles sich verändert hatte - wenn nicht am Ende gar alles ... Was er in der fernen Stadt beobachtet und schließlich mit leichter Hand ausgelöscht hatte, nährte
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