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Der Liebespakt

Titel: Der Liebespakt
Autoren: Susanne Leinemann
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    Heute war es also so weit. Hier, am Rande des Poloturniers: das erste Zusammentreffen, seit sie von der Affäre wusste. Vor 48 Stunden hatte Antonia, die von allen nur Toni genannt wurde, ihren Mann mit der Handyrechnung konfrontiert. Ausgerechnet eine Handyrechnung. Wie billig, wie abgeschmackt, wie dumm von ihm.
    Jeder , einfach jeder wusste doch mittlerweile, dass Affären meist durch Handys aufflogen. Entweder vergaßen die Fremdgänger, verräterische Nachrichten zu löschen, oder das »Empfangene Mitteilungen«-Fach war tatsächlich gereinigt worden, aber die Abteilung »Gesendete Mitteilungen« voller kompromittierender Botschaften: »Zähle die Minuten, bis wir uns endlich im Hotel treffen. Meine Ehe ist unendlich trostlos.« Oder: »Hatte fast vergessen, wer ich eigentlich bin. Mit dir im Bett erinnere ich mich wieder daran.«
    Herrgott, ein Einbrecher trägt Handschuhe, ein Mörder lässt die Tatwaffe verschwinden. Kann denn ein untreuer Ehemann nicht wenigstens dafür sorgen, dass sein Handy sauber ist und die betrogene Ehefrau nicht die verräterischen Handyrechnungen mit der Post bekommt? War das bisschen Mühe zu viel verlangt? Toni, die an einem der weißen Stehtische vor dem Clubhaus des Polovereins stand, merkte, wie ihr schwindelig wurde. Es war alles noch so frisch.
    Georg betrog sie. Ihr Georg. Sie waren doch erst vier Jahre
verheiratet, fast noch ein Liebespaar. Ein Dolchstoß ins Herz aus heiterem Himmel. Noch vorgestern hatte sie nicht einmal geahnt, dass ihre Ehe vor dem Aus stand. Eigentlich schon aus war - eine ganze Weile schon. Der Schwindel ließ sie schwanken. Toni klammerte sich am Stehtisch fest, bis die Fingerknöchel weiß wurden.
    »Trink noch einen Schluck, Schatz.«
    Shirin hielt Toni das Champagnerglas hin. Toni griff danach wie nach einem Rettungsring. Aber der Champagner machte nichts leichter, nichts heiterer. Sie blieb eingehüllt in diesen dumpfen, wattigen Schmerz, der alles an ihr lähmte - ihre Bewegungen, ihr Sprachvermögen, ihre Reaktionszeit.
    »Du musst dir das hier nicht antun, das weißt du, oder?«, drang Shirins Stimme von weit her zu ihr durch. Was man halt so sagte in so einem Moment. Toni wollte nicht ungerecht gegen Shirin sein - wären die Rollen umgekehrt, Toni hätte genauso geklungen. Sie hätte auch die üblichen Floskeln von sich gegeben: »Lass dich sofort scheiden. Mehr als die Hälfte aller Ehen scheitern, das passiert halt. Du hast einen Besseren verdient. Da draußen gibt es viele andere attraktive Männer. Du bist noch jung - 34 Jahre sind doch kein Alter. Nimm die Krise als Chance.« Das ganze Ratgeberblabla.
    Aber sie wollte keinen anderen Mann, sie wollte Georg. Er war ihr Ehemann. Gut, Toni wollte nicht unrealistisch sein. Kaum jemand wagte heute mehr, »bis dass der Tod euch scheidet« zu verlangen. Aber ein verdammtes Lebensjahrzehnt konnte er mit ihr ja wohl durchhalten. Vier kümmerliche Jahre! Das war - Verrat. Liebesverrat. Eheverrat. Verdammter demütigender, widerlicher Verrat.
    »Ich hasse Polo«, knurrte Toni. Sie hatte keine Lust, über ihr Ehedesaster zu reden.
    Shirin drehte sich zum Spielfeld um. Im Galopp jagten Pferde
und Reiter dem Ball hinterher. Trotz vornehmer Poloshirts mit Wappen und kolonial anmutenden Reiterhelmen erinnerte die Truppe auf dem Spielfeld weniger an ein sportliches Team als an ein wildes Reitervolk - Hunnen oder Tataren - beim Überfall auf ein armseliges Dorf in der Steppe. Die Poloschläger wurden wie Keulen geschwungen, und die Herren beugten sich so weit über die Hälse ihrer Pferde nach vorn, dass man Angst haben musste, sie würden gleich aus dem Sattel fallen.
    »Sehr elegant sieht das nicht aus«, versuchte Shirin zu witzeln. »Und das liegt nicht an den Pferden.«
    Die Poloponys aus Argentinien mit glänzend braunem und schwarzem Fell waren schnell, wendig und unglaublich langmütig mit ihren Reitern, die offensichtlich eine Menge Probleme mit diesem rasanten Sport hatten.
    Toni zuckte mit den Schultern. »Wer zeigen will, dass er Geld hat, spielt Polo. Ob er reiten kann, ist nicht so wichtig.« Sie hatte sich vom Spielfeld abgewandt und starrte in die trostlos flache Brandenburger Landschaft. Das Spielfeld, an dem sie und ihre Freundin Shirin standen, war noch vor wenigen Jahren ein Zuckerrübenacker gewesen. Dann hatte der Polo-Boom eingesetzt, und man begrünte den Acker vor den Toren Berlins, taufte ihn hochnäsig zur Champagner-Country-Lounge samt Spielfeld um und zog in Windeseile ein
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