Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Hippie-Traum

Ein Hippie-Traum

Titel: Ein Hippie-Traum
Autoren: Neil Young
Vom Netzwerk:
alle einstimmig dieselben Partien spielten, viele Tamburine, Bässe und Klaviere, dazu immer gleichzeitig Streicher im selben Raum. Diese Sessions verkörperten den Geist der Musik, wie ich sie kenne und liebe. Wenn die Musiker nach der von Jack lose vorgegebenen Ordnung alle gleichzeitig mit vollem Einsatz spielten, wurde dabei die Essenz vieler musikalischer Kräfte eingefangen. Natürlich waren das Analogaufnahmen, und die vielen Obertöne waren ganz real. Der Gold-Star-Hall vereinigte alles in der »Wall of Sound«.
    Stellt euch mal vor, wie die Leute dort im Raum zusammenkamen und Instrumente und Anlagen aufbauten, dazu Spector im Regieraum und Jack in der Ecke mit seinen Diagrammen. Legendär. Das war echte Musik, abgemischt mit dem speziellen magischen Hall. Jeden Abend kriegte man eine Gänsehaut, bei jeder Session.
    Der Hallraum selbst war quasi geheim. Stan Ross, der Eigentümer von Gold Star, ließ nicht zu, dass irgendjemand ihn sah. Niemand durfte ihn betreten. Im Unterschied zu den kleinen Hallgeräten von heute war das ein richtiger Raum: Ein Tonsignal wurde vom Regieraum in einen Lautsprecher im Hallraum geleitet, und ein dort aufgestelltes Mikrofon empfing den Ton samt dem hinzukommenden Hall und sendete ihn an den Regieraum zurück, wo er je nachdem, wie stark der Effekt sein sollte, in die Musik zurückfloss. Die Stärke des Halleffekts richtete sich danach, mit welcher Lautstärke man den Ton aussandte und wie viel davon in die Musik zurückgemischt wurde. Man konnte ihn lauter oder leiser machen, durch Entzerren die Höhen und Tiefen verstellen, aber man durfte auf gar keinen Fall hinein und den Lautsprecher versetzen oder was am Mikrofon ändern. Das war tabu! Streng verboten. Es war super, wie es war, der Klang war reine Magie. Wenn jemand die Platzierung der Mikrofone verändert hätte, wäre das ein Desaster gewesen und der Klang hätte futsch sein können!
    Er war unheimlich, dieser Klang. Er war so physisch, wie es nur geht, nicht bloß eine Einstellung an einem digitalen Gerät. Jedes Mal, wenn ihn etwas zum Schwingen brachte, war der Klang anders. Man konnte sich darin verlieren, wenn man nur in die Tiefe lauschte. Er war wahre Magie.
    Außerhalb des Studios gab es einen kleinen Aufenthaltsraum für Musiker, wo bunte Telefone an der Wand hingen, auf denen Auftragsdienste anrufen und Musiker für Sessions in anderen Studios buchen konnten. Jeder Dienst hatte seinen eigenen Apparat. Die Musiker der Stadt zogen ständig von einem Studio zum anderen, und ihre Transportdienste beförderten derweil Schlagzeuge, Kontrabasse, Verstärker, alles. Die Dienste bauten das Schlagzeug und das elektrische Equipment auf, sodass die Musiker einfach kommen und losspielen konnten. Viele Drummer besaßen mehrere Schlagzeuge, und Gitarristen hatten mehrere Verstärker. Vibrafone und Harfen wurden von Instrumentenverleihern gemietet und tagein, tagaus zu den diversen Sessions in der Stadt transportiert.

    In den Achtzigerjahren dann verkaufte Stan Ross eines Tages Gold Star. Die Tage der »Wall of Sound« waren vorbei, und das Studio war eine Immobilie. Stan rief mich an und fragte, ob ich den Hallraum kaufen wollte. Ich lehnte ab. Heute bedauere ich das. Ich dachte, an einen anderen Ort versetzt wäre er nicht derselbe. Damit hatte ich, glaube ich, recht, trotzdem hängt mir diese Entscheidung immer noch nach. Der legendäre Hallraum war einst ein Kühlraum im Schlachthof gewesen.
    Es gab noch einen anderen berühmten Hallraum in Hollywood bei Sunset Sound. Er existierte recht lange, bis die digitale Musik aufkam. Prince nahm lange ausschließlich bei Sunset auf, und wie ich gehört habe, ließ er aus dem Hallraum einen Partyraum machen. Das kann stimmen oder nicht. Ich hoffe, es stimmt nicht. Jedenfalls ist Sunset Sound das Studio, wo Jack und ich »Expecting to Fly« aufnahmen und abmischten, und zwar in Zusammenarbeit mit Bruce Botnick, einem der einflussreichsten und gediegensten Tonmeister in der Geschichte der Schallplatte. Jack und ich arbeiteten wochenlang bei ihm zu Hause im Coldwater Canyon am Arrangement von »Expecting to Fly«.
    Ich weiß noch, wie ich eines Abends aufs Polizeirevier ging, um den wegen Trunkenheit am Steuer einsitzenden Jack aus dem Gefängnis zu holen. Ich weiß auch noch, wie Jack eines Tages blank war und Phil Spector ihm fünf Riesen gab. Das war damals scheißviel Geld. Jack liebte Phil, weil Phil ein Genie mit einem großen Herzen war, auch wenn er verrückt und sehr
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher