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Ein Hauch von Kirschblüten

Ein Hauch von Kirschblüten

Titel: Ein Hauch von Kirschblüten
Autoren: Kat Marcuse
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Internetpräsenz und Publicity verantwortlich – Die Zukunft,
wie mein verehrter Herr Vater es so trefflich nannte.
    Ich bin angenehm überrascht, dass
so viele zufriedene Kunden zum vierzigjährigen Jubiläum der VRC erschienen
sind. Es scheint, als hätten wir tatsächlich gute Arbeit geleistet.“
    Gelächter und erneuter Applaus
erscholl im Saal. Es war erstaunlich, wie es Tom gelang, die Menschen für sich
einzunehmen. Sie hingen bei jedem Wort an dessen Lippen. Er sparte nicht mit
Charme, entzückte mit ein paar Anekdoten und wiegte seinen Vater in Sicherheit,
der gönnerhaft vor sich hin grinste.
    Jan spannte sich an. Es war
soweit. Tom warf seinem Vater einen Blick zu, den Jan nicht sah, da er sich
leicht von ihm abwandte, und Volker Richter offenbar nicht deuten konnte, denn
dessen aufgesetztes Grinsen erstarb.
    „Liebe Gäste der VRC, ich muss
Ihnen leider mitteilen, dass ich die Company verlasse. Es ist mir nicht
möglich, an der Seite meines Vaters meine Kreativität zu entfalten. Ich
bedauere es, diesen Schritt gehen zu müssen ...“
    Tom kam nicht dazu, die Rede zu beenden.
Binnen Sekunden stand sein Vater neben ihm.
    „Das wagst du nicht.“ All der
Hass schwang in dessen Stimme mit. Vielleicht hätte ihm jemand sagen sollen,
dass das Mikrofon noch immer eingeschaltet war? „Alles habe ich dir gegeben,
alles. Und so dankst du es mir? Du bist genauso eine Enttäuschung wie deine
Mutter. Vielleicht solltest du mir und der Welt einen Gefallen tun und
ebenfalls gegen einen Baum fahren.“
    Tom wurde kreidebleich und dessen
Atmung keuchend. Jan brauchte ein paar Sekunden, ehe er sich an den entsetzt
dreinschauenden Menschen vorbeigedrängt hatte und auf die Bühne stürzen konnte.
Schweißperlen standen auf Toms Stirn, die Hände zitterten. Er starrte zwar
seinen Vater an, doch Jan hatte das Gefühl, dass er nichts um sich herum
wahrnahm.
    „Sag, dass das nicht wahr ist.“
Selbst durch die Verstärkung des Mikros waren Toms Worte nicht mehr als ein
Flüstern.
    „Natürlich ist es wahr. Besoffen
ist sie gewesen, wie immer. Ich hätte dich deiner Drogensucht überlassen
sollen, dann wäre ich dich vielleicht schon los.“
    „Das hättest du tun sollen.“
Diese Worte waren klar und deutlich gesprochen.
    Erst jetzt schien Volker Richter
das ganze Ausmaß seines Wutanfalls bewusstzuwerden. Entsetzt starrte er in die
weit aufgerissenen Augen seines Publikums. Manche grinsten gehässig, andere
hielten gespannt die Luft an, Sensationsgier in den Augen. Nicht einer wirkte
von dem Gehörten betroffen oder gar erschüttert. Blutsauger, allesamt!
    In einer letzten verzweifelten
Machtdemonstration hob Volker Richter die Hand. Wenige Zentimeter vor seinem
Gesicht hielt Tom sie auf und umfing das Handgelenk so kräftig, dass sich das
Gesicht seines Vaters schmerzhaft verzog. Sie funkelten einander wütend an.
    Jan konnte den Wunsch verstehen,
sah, wie Tom die rechte Hand zu einer Faust schloss. Schnell ging er zu ihm und
legte eine Hand auf dessen Schulter. „Lass gut sein, Tom. Es ist vorbei.“
    Tom sah ihn nicht an, nickte
jedoch. Ein tiefer Atemzug verriet Jan, wie gut es ihm tat, dass er da war.
Ganz leicht löste sich die Anspannung von Toms Schulter unter Jans Hand. Tom
ließ das Handgelenk seines Vaters los, trat sicherheitshalber zwei Schritte
zurück. Der rührte sich nicht. Er hatte verloren – und zwar alles. Er selbst
hatte seinen Ruf, sein erlogenes Ansehen und die Company ruiniert. Es bestand
kein Zweifel, dass dieser Vorfall in der Presse landen und Kreise ziehen würde.
Das Klicken der Kameras dröhnte in Jans Ohren.
    Plötzlich riss Tom den Blick von
seinem Vater los, sah von der Bühne hinab zu den Gästen, verbeugte sich leicht
und sagte: „Ich empfehle mich dann.“ Dessen Stimme klang abgehackt und
emotionslos. Jan mochte sich gar nicht vorstellen, was nach diesen
erschütternden Worten in ihm vorging. Mit so einem Ausgang des Abends hatte
niemand rechnen können.
     
    Tom zog sich in der kommenden
Woche völlig aus dem öffentlichen Leben zurück. Jan hatte Urlaub eingereicht,
um bei ihm zu sein. Den endgültigen Bruch mit seinem Vater verkraftete Tom
erstaunlich gut, doch die Trauer um seine Mutter war zurückgekehrt. Die
Umstände ihres Unfalls schürten den Hass noch mehr. Tom war davon überzeugt,
dass sein Vater sie in den Tod getrieben hatte. Jan widersprach ihm nicht.
    Zwei Tage nach dem
Richter-Skandal, wie ihn die Zeitungen nannten, stand Jans Mutter vor der Tür.
Wortlos nahm
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