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Ein Hauch Vanille (German Edition)

Ein Hauch Vanille (German Edition)

Titel: Ein Hauch Vanille (German Edition)
Autoren: Heike Berg
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zurückzukehren.
Auf jeden Fall nicht mehr in dieser Saison. Aber eines stand für mich
zweifelsohne auch fest: ohne ihn konnte ich auf keinen Fall nach Hause gehen.
Michael würde mich vierteilen…
    Ich
setzte mich auf einen abgesägten Baumstamm und wartete. Ich wusste selbst nicht
worauf, schließlich konnte ich gar nichts tun. Nach der Verzweiflung und den
unzähligen Selbstvorwürfen hatte ich irgendwann keine Tränen mehr übrig und
tröstete mich mit dem Gedanken, dass Michi schließlich nicht gestorben sei. Er
war auch nicht allein, Shane würde sich seiner annehmen. Also wäre er auch
nicht hilflos, oder in Gefahr.              
„Er lebt, alles ist gut“, sagte ich laut zu mir selbst. Dann fiel mir Jasmin
wieder ein. Sie schwebte schließlich noch immer in Lebensgefahr. Für sie war
ich überhaupt erst dieses Risiko eingegangen. Mit den Händen durchsuchte ich
meine Hosentaschen und wurde in der rechten Gesäßtasche fündig. Vorsichtig zog
ich das Reagenzglas heraus. Es war unbeschädigt. Ich sprang vom Baumstamm und
rannte aus dem Wald in Richtung Kaltenbach. Auf dem Feldweg lief ich so
schnell, dass sich die Schottersteine unter meinen Sohlen in kleine Murmeln
verwandelten und ich ins Rutschen geriet. Als mir bewusst wurde, dass ich auf
keinen Fall hinfallen durfte, lief ich auf dem Gras weiter. Immer wieder hielt
ich an um zu testen ob mein Handy Empfang hatte, doch noch immer kein
Ausschlag. Als ich die ersten Häuser Kaltenbachs sehen konnte, blieb ich stehen
und blickte in die Ferne. Ich konnte die erdigen Felder und grünen Weiden
überblicken und dachte nach, wie ich weiter vorgehen sollte. Es kam mir nur
Robert in den Sinn. Endlich hatte auch mein Handy wieder Empfang. Ich rief
Marcus an und er versprach gleich vorbeizukommen, um sich das Reagenzglas
abzuholen. Dann versuchte ich es bei Robert. Unruhig lief ich hin und her,
während es am anderen Ende der Leitung gefühlte hundert Mal klingelte. Dann endlich
nahm er ab.   
„Hier ist dein Lieblingsbruder“, meldete er sich und lachte über seinen eigenen
Witz.  Ohne Luft zu holen, fing ich zu erzählen und auch wieder zu heulen an.                
„Der Supergau ist eingetroffen! Ich war bei Shane und musste Michi mitnehmen
und bin dann ohne ihn raus geflogen. Und nun gibt es keine Portalpilze mehr.
Jetzt muss Michi dort bleiben. So eine Scheiße!“ schluchzte ich verzweifelt.              
    „Ach
du Kacke, und nun?“ fragte er geschockt.     
„Michael bringt mich um“, antwortete ich, mich meinem Schicksal ergebend.       
„Wo bist du jetzt?“ 
„Ich stehe am Feldweg, der zum Wald führt“, entgegnete ich mit zittriger
Stimme.               
„Ok, bleib wo du bist, ich komme zu dir.“             
„Ist gut, bis gleich!“ sagte ich erleichtert.
    Ich
setzte mich ins Gras und wartete. Es dauerte nicht lange bis Marcus mit dem
Auto vorfuhr. Ich beschloss ihm nichts zu erzählen, da er mir sowieso nicht
helfen konnte und er auch gar keine Zeit dafür hatte. Dankbar nahm er das
Reagenzglas entgegen und wunderte sich nicht einmal über unseren ungewöhnlichen
Treffpunkt. Nachdem er sich verabschiedet hatte, brauste er mit seinem Wagen im
aufgewirbelten Staub des Schotterweges davon. Von Weitem erkannte ich nach
einer Weile auch Robert am anderen Ende des Weges und rannte ihm entgegen.         
„Ist Michael schon vom Arzt zurück?“ fragte ich ängstlich, als ich ihn
erleichtert in die Arme schloss.
„Nein noch nicht.“  
Gemeinsam wogen wir unsere Möglichkeiten ab und entschieden zu erzählen, wir
hätten Michi im Wald aus den Augen verloren. Doch das konnten wir Michael auf
keinen Fall selbst sagen, deshalb beschlossen wir bei der Polizei anzurufen und
Michi als vermisst zu melden.
    Ich
wählte den Notruf. In Gedanken legte ich mir zurecht, was ich sagen wollte.
Doch die schroffe, laute Stimme am anderen Ende der Leitung brachte mich völlig
aus dem Konzept. Was mir dann letzten Endes doch wieder zugutekam. Denn die
Unsicherheit machte mich wiederum auch glaubwürdiger. Schließlich sollte es ja
nicht auswendig gelernt klingen.           
„Ich habe meinen kleinen Bruder verloren“, stammelte ich. Völlig unbeeindruckt
fragte der Beamte erst einmal nach meinem vollständigen Namen und meinem
Wohnort. Dann wollte er wissen, wann ich ihn das letzte Mal gesehen hätte, ob
er gut zu Fuß sei und welche Kleidung er trug.
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