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Ein Hauch Vanille (German Edition)

Ein Hauch Vanille (German Edition)

Titel: Ein Hauch Vanille (German Edition)
Autoren: Heike Berg
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vor.     
Aus seinem weit geöffneten Mund triefte Speichel heraus, während seine Augen
die ganze Trostlosigkeit widerspiegelten, die er in diesem Moment verspürte. Einzig
der Knüppel in der Hand fehlte ihm, den er sicherlich dankbar angenommen und
seinen Wünschen damit gerne Nachdruck verliehen hätte. Denn wenn etwas nicht
nach seinen Wünschen verlief, setzte er immer seinen Ur-Schrei ein.
Das schnelle Vibrieren des Trommelfells verursachte ein schmerzhaftes Rauschen
in meinem Kopf, auf Grund dessen sich mein Körper verkrampfte und mich einen
Moment lang außer Gefecht setzte. Weswegen ich auch nicht in der Lage war
sofort zu reagieren, als sich Anne plötzlich, wie aus der Pistole geschossen,
zu uns umdrehte. Wutentbrannt legte sich ihre Stirn in Falten und ich glaubte
sogar ein leises Knurren zu hören.            
„Hör auf, das nervt!“ schrie sie Michi in einem so barschen Ton an, dass er
verschreckt zusammen zuckte. Nachdem ihm sämtliche Gesichtszüge entglitten
waren, brach er in ein bitterliches, herzzerreißendes Weinen aus, welches ich
nie lange ertragen konnte. Panisch vor Angst, streckte er hilfesuchend die Arme
nach mir aus. Ich versuchte zu ihm zu gelangen, doch mein Gurt hielt mich
gnadenlos zurück. Immer wieder löste ich die Arretierung, doch vergebens.  
„Mama!“ schrie er verzweifelt und starrte dabei mich, anstatt Anne flehend an.
Über sein Engelsgesicht, das von einer blonden Lockenpracht umrahmt wurde,
ergossen sich nun dicke Kullertränen. Ihn so zu sehen und nicht in die Arme
schließen zu können, brachte mich fast um den Verstand. Doch Anne regte sich
nicht einmal. Gegen das Weinen schien sie völlig immun zu sein, wie auch gegen
jede andere Gefühlsregung. Ich hielt es jedoch nicht mehr länger aus. Vorsichtig
lockerte ich meinen Gurt, streckte die Arme nach ihm aus und erreichte ihn
gerade noch mit den Fingerspitzen. Liebevoll strich ich ihm über die Wange. Mit
großen blauen Augen, die tränengeflutet waren, sah er mich dankbar an.                          
„Ach Süßer, es ist alles gut“, säuselte ich und blinzelte ihm entgegen. Schluchzend
strafte er Anne hinterrücks mit einem argwöhnischen Blick, bevor er sich mit
einem langen, ausatmenden Seufzer wieder beruhigte.
    Anne
blies gerade den Rauch ihrer selbstgedrehten Zigarette zum Fenster hinaus, als
mich Michi auf einmal so merkwürdig ansah.  
„Mama?“ fragte er. Ich fühlte mich sofort wieder unwohl, weil ich nicht wollte,
dass jemand glaubt ich wäre mit meinen sechzehn Jahren bereits Mutter. Nur ein
Jahr später war Anne nämlich damals schwanger geworden. Doch für mich würde das
nie in Frage kommen. Mein Lebensplan stand fest und das schon seit Jahren. Auf
keinen Fall wollte ich die gleichen Fehler wie sie machen. Zu oft hatte sie uns
erzählt, wie schwer es für sie gewesen war mit Christian viel zu früh ungewollt
schwanger geworden zu sein und das einzig Michi ein Wunschkind sei. Robert kam
dann zwei Jahre nach Christian zur Welt. Wobei sie immer so tat, als wäre sie
daran völlig unbeteiligt gewesen. Mein fünfzehn Minuten späteres,
überraschendes Erscheinen musste für sie dann wie ein Schock gewesen sein. Denn
plötzlich stand sie im Alter von nur neunzehn Jahren mit drei Kindern da.
    Darum
beschloss ich, alles anders zu machen. Keinen Alkoholiker zum Mann zu nehmen
und schon gar nicht so einen Vollidioten wie Michael. Den ersten
Geschlechtsverkehr datierte ich auf meinen siebzehnten Geburtstag, für Kinder
und Hochzeit befand ich  dreiundzwanzig als ideal.   
Dass ich mir nicht gern ein Kind andichten ließ, war aber nicht der einzige
Grund für meine Abneigung der Mama Titulierung. Ich versuchte mich in Annes
Lage zu versetzen. Für sie musste es doch furchtbar sein, wenn Michi noch eine
andere Person Mama nannte, oder nicht? Um herauszufinden ob ich mit meiner
Vermutung richtig lag, sah ich in den Innenspiegel des Wagens. Doch in ihrem
Gesicht konnte ich keine Reaktion ablesen. Sie hielt ihren Kopf ganz nah vor den
Spiegel und entfernte Tabakkrümel von ihrer Zunge. Dabei würdigte sie ihrem zerzausten
Haar nicht einen Blick. Es war ihr völlig egal. Auch wie sie auf andere wirkte. Wahrscheinlich macht es ihr nicht einmal etwas aus. Ich mache mir einfach
nur viel zu viele Gedanken, sinnierte ich. Robert war in dieser, wie auch
in jeder anderen Beziehung ganz anders als ich. So machte er sich kaum oder gar
keine Gedanken über das Wieso und
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