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Ein guter Blick fürs Böse

Ein guter Blick fürs Böse

Titel: Ein guter Blick fürs Böse
Autoren: Ann Granger
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passiert!«
    Ben, an den täglichen Umgang mit schlimmen Dingen gewöhnt, zuckte lediglich mit den Schultern und nahm seine Zeitung wieder auf. Er überließ es mir, mich um diesen häuslichen Notfall zu kümmern, was immer es sein mochte.
    »Was ist denn, Bessie?«, fragte ich und eilte zu ihr. In diesem Moment hörte ich eine andere fremde weibliche Stimme in der Küche schluchzen.
    »Es hat einen Mord gegeben, Missus! Mr. Ross, Sir! Sie müssen ganz schnell kommen!«
    Mit bewundernswerter Ruhe ließ Ben die Zeitung sinken. »Und wo genau ist dieser Mord passiert, Bessie?«, fragte er. »Draußen auf der Straße? Wir haben nichts gehört.«
    »Nein, Sir. Es ist Mrs. Jamesons Hausmädchen!«
    »Was denn, sie wurde ermordet?« Bens Tonfall wurde scharf, während er sich erhob.
    Ich ahnte, von wem die schluchzenden Laute stammten. »Ist sie in unserer Küche?«, fragte ich. Ich wartete nicht auf eine Antwort und rannte an Bessie vorbei in Richtung Küche, dicht gefolgt von Ben. Dort saß ein Mädchen in Bessies Alter in sich zusammengesunken auf den kalten Steinfliesen und weinte. Als sie uns erblickte, fing sie zu heulen an und wälzte sich auf dem Boden.
    »Sie hat einen Anfall!«, rief Ben. »Hol einen Holzlöffel, und schieb ihn zwischen ihre Zähne. Sie beißt sich sonst in die Zunge!«
    »Nein, nein, sie ist nur völlig verängstigt …«, unterbrach ich ihn. Ich sprang zu dem Mädchen, um es bei den Schultern zu packen und festzuhalten, damit es sich beruhigte, doch es hockte vor mir wie ein Tier, das außerstande war, auf zwei Beinen zu stehen. »Wie heißt du?«
    Sie starrte mich an und bewegte die Lippen, ohne ein Wort hervorzubringen.
    »Sie heißt Jenny«, informierte uns Bessie. »Los, Jenny, lass den Unsinn, und steh gefälligst auf.« Sie wurde sogleich aktiv und eilte forschen Schrittes zu dem aufgelösten Hausmädchen, um es auf die Füße zu ziehen, obwohl die unglückselige Person aussah, als könnte sie in der nächsten Sekunde erneut zu Boden sinken.
    Ben sprang ein und schob hastig einen Küchenstuhl vor. Jenny sank darauf nieder und starrte zu uns auf, während Tränen über ihre Wangen liefen. Ben beugte sich zu ihr hinunter. »Nun, Jenny, was hat das alles zu bedeuten?«, fragte er freundlich, aber bestimmt.
    »Sie müssen sofort mitkommen, Sir, bitte«, hauchte sie. »Meine Herrin hat mich geschickt, Sie zu holen. Das wäre schneller, als den Bobby auf seiner Runde zu suchen.«
    »Ist Mrs. Jameson verletzt?«, fragte Ben.
    »Nein, Sir, es ist Mr. Tapley, der Untermieter. Er ist tot, Sir, schrecklich zugerichtet und voller Blut! Er liegt auf …«, an dieser Stelle verlor Jenny die Beherrschung und schluchzte erneut lauthals los.
    Ben richtete sich auf. »Ich gehe nachsehen, was dort los ist. Das Mädchen bleibt besser hier. Bessie, du machst ihr einen starken heißen Tee! Es dauert sicher nicht lange, Lizzie, es sei denn, die Dinge …«
    »Aber ich komme mit!«, unterbrach ich ihn. »Was auch immer passiert ist, die arme Mrs. Jameson ist allein im Haus. Sie ist wahrscheinlich schrecklich durcheinander, und womöglich befindet sie sich in Gefahr. Und nicht zuletzt benötigt sie Unterstützung. Während du herausfindest, was Mr. Tapley zugestoßen ist, kann ich mich um Mrs. Jameson kümmern.«
    »Schon gut, schon gut, also dann!« Er war bereits auf dem Weg nach draußen, ohne innezuhalten, um seinen Hut zu nehmen.
    Ich rannte hinter ihm her, und bald darauf erreichten wir zusammen Mrs. Jamesons Haus. Die Vordertür stand offen, und sämtliche Gaslampen im Erdgeschoss brannten hell. Es war inzwischen dunkel genug, um das künstliche Licht zu entzünden, doch vermutlich hatte Mrs. Jameson die Lampen in der Absicht angezündet, Eindringlinge abzuschrecken, die vielleicht noch auf der Lauer lagen. Ich spähte in die uns umgebenden Schatten, doch es war niemand zu sehen oder zu hören.
    Ben rief den Namen der Witwe, während wir die wenigen Stufen hinaufstiegen. Sie schien uns gehört oder gesehen zu haben, denn sie erwartete uns bereits in der Halle. Sie war blass und zitterte und rang sichtlich um ihre Fassung, doch sie begrüßte uns förmlich.
    »Danke für Ihr Kommen, Inspector, und auch Ihnen, Mrs. Ross. Ich bin untröstlich, dass ich Ihnen solche Umstände bereite, aber der arme Mr. Tapley …« Sie brach zitternd ab.
    »Wo ist der Tote?«, fragte Ben leise.
    »Die Treppe hoch, Inspector. In seinem kleinen Wohnzimmer. Er hat die beiden Zimmer im ersten Stock mit Blick zur
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