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Ein guter Blick fürs Böse

Ein guter Blick fürs Böse

Titel: Ein guter Blick fürs Böse
Autoren: Ann Granger
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umzustülpen, um ganz sicher zu sein, dass nichts übersehen wurde. Wenn ich Sie also bitten dürfte?«
    »Warum zum Teufel sollte ich das tun?«, explodierte er erneut, und diesmal lief er rot an im Gesicht. »Ich protestiere auf das Entschiedenste! Ihr Verhalten ist die reinste Impertinenz und weiter nichts, Ross! Ich weigere mich!«
    »Warum denn das? Wenn Sie nichts übersehen haben, Sir, dann gibt es doch nichts, weswegen Sie sich sorgen müssten? Kommen Sie, Mr. Tapley, bringen wir es hinter uns.«
    Tapley stand sekundenlang stocksteif vor Wut da, und ich fing bereits an zu denken, er würde bei seiner Weigerung bleiben. Ich war jetzt sicher, dass er etwas in einer seiner Taschen hatte, das er uns nicht zeigen wollte – wären sie tatsächlich leer gewesen, hätte er die Gelegenheit nicht versäumt, mich wie einen Narren dastehen zu lassen.
    Doch was sollte ich tun, falls er sich fortgesetzt weigerte? Ich wollte Morris nicht beauftragen, die Taschen des Mannes zu untersuchen. Das würde, falls er etwas fand, in der Folge zu der Anschuldigung führen, der Sergeant hätte es hineingeschmuggelt. Ich hielt Tapleys wütendem Blick stand und wartete. Er muss es selbst tun, sagte ich mir. Er muss … nicht, weil ich es ihm als Polizeibeamter sage, sondern weil er schuldig ist und weil wir beide es wissen. Er muss, weil er sich mit den Beweisen auseinandersetzen muss, die gegen ihn vorliegen, genauso, wie er sich bisher mit meinen Anschuldigungen auseinandergesetzt hat. Jetzt muss er es durchstehen, komme, was da wolle, bis zum bitteren Ende … bis zum Schafott.
    Zu guter Letzt, nach einer endlos scheinenden Zeitspanne, drehte Tapley die rechte Tasche seines Gehrocks nach außen. Nichts kam zum Vorschein. Selbst Biddle in seiner Ecke hielt nun den Atem an, die Hand mit dem Stift reglos in der Luft. Morris schwitzte. Ich versuchte nicht über das nachzudenken, was mein Gesichtsausdruck zeigte. Tapleys Hand bewegte sich zur linken Tasche …
    Ein kleiner Gegenstand fiel klappernd zu Boden.
    »Es ist etwas herausgefallen, Sir«, sagte Morris heiser.
    Er blickte zu Boden. Tapley ebenfalls. Ich kam um meinen Schreibtisch herum zu ihnen, und Biddle erhob sich von seinem Stuhl und schob sich verstohlen näher heran, um zu sehen, was das war.
    Wir alle starrten nach unten auf das metallene Objekt. Es war ein Schlüssel. Hatte Tapley in seiner Verzweiflung versucht, ihn in der Handfläche zu verstecken, ihn in den Ärmel zu schieben, und war mangels Geschicklichkeit gescheitert? Ich glaubte für einen kurzen Augenblick so etwas wie Enttäuschung in seinem Gesicht zu erkennen. Doch der Augenblick war schnell wieder vorbei. Er rührte sich nicht.
    »Wenn Sie vielleicht so freundlich wären, den Schlüssel aufzuheben und auf den Schreibtisch zu legen?«, forderte ich ihn auf.
    Morris hatte bemerkt, dass Biddle zu uns gekommen war, und winkte ihn unwirsch in die Ecke zurück.
    Ich glaubte, Tapley würde erneut lauthals protestieren, doch er bückte sich widerspruchslos, hob den Schlüssel auf und warf ihn mit verächtlicher Geste auf den Schreibtisch. Er landete klappernd, rutschte ein Stück und blieb mitten auf der Platte liegen.
    »Nun denn, Mr. Tapley«, sagte ich. »Was ist das für ein Schlüssel?«
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung«, sagte er gepresst. »Ich muss ihn versehentlich irgendwo eingesteckt haben.«
    »Nein, Mr. Tapley. Sie haben ihn vom Nachttisch im Schlafzimmer Ihres Cousins Tom mitgenommen. Es handelt sich, wie wir meiner Meinung nach feststellen werden, um den Schlüssel für Mrs. Jamesons Haustür. Wir wissen, dass Ihr Cousin einen Schlüssel hatte, doch wir konnten ihn bisher trotz gründlicher Suche nicht finden. Nachdem Sie Ihren Cousin getötet hatten, mussten Sie sich überzeugen, dass es in den Zimmern nichts gab, von dem Sie nicht wollten, dass andere es zu Gesicht bekommen. Vielleicht hatte Tom angefangen, einen Brief an seine Tochter zu schreiben? Vielleicht – schlimmer noch – hatte seine Tochter ihm geschrieben, an seine Londoner Adresse, nachdem sie erfahren hatte, wo er wohnte. Es war wichtig in Ihren Augen, dass jede Verbindung zwischen Vater und Tochter vernichtet wurde. Flora musste so erscheinen, als hätte sie nichts davon gewusst, dass ihr Vater in London wohnte, falls ihr Ruf keinen Schaden nehmen sollte. Sie konnten nicht lange bleiben wegen der Leiche auf dem Boden. Jeden Augenblick konnte jemand kommen. Sie mussten zurück in Ihre Kanzlei wegen einer Konferenz, die
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