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Ein Engel an Güte (German Edition)

Ein Engel an Güte (German Edition)

Titel: Ein Engel an Güte (German Edition)
Autoren: Ippolito Nievo
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irgendetwas weniger Grässliches zu spielen.«Früher konntet Ihr doch einmal vier oder fünf ganz nette Stückchen», schloss sie,«und diese edle und geneigte Gesellschaft hatte zu wiederholten Malen Gelegenheit, Euren guten Willen zu loben. Nun, strengt Euer Gedächtnis an und gebt irgendetwas Lustiges zum Besten, damit man nicht sagen kann, das Fest der Seraphinerinnen habe mit einem De profundis 12 geendet.»
    Trotz ihrer erstaunlichen Seelenstärke vermochte die Ärmste nicht, ihre Hände noch einmal auf die Tasten zu legen; daher musste Signor Terni zum zweiten Mal den stillschweigenden Spott der Versammlung herausfordern; er trat hinter sie, legte eine Hand auf die Stuhllehne und flüsterte ihr zu:«Nur Mut, Signorina Morosina, spielen Sie eine gängige Weise, um sie zufriedenzustellen.»
    Da fasste sich das Mädchen wieder etwas und stimmte das Vorspiel zu einer munteren Barcarole an, die damals sehr in Mode war; doch die Hände standen zu sehr in Einklang mit ihrem Empfinden, als dass die Töne klar und akzentuiert hätten dahinlaufen können, wie das Stück es verlangte; bald glitt sie mit krampfhaftem Zucken flüchtig darüber hin, bald verweilte sie mit lastender Schwere auf einzelnen Tönen. Und das verstümmelte, holprige Lied glich mehr dem wilden Einhämmern kindlicher Fäuste auf ein verstimmtes Instrument als der kunstvollen Wiedergabe einer populären Melodie.
    « Genug, genug, es ist klar!», rief die Oberin völlig außer sich, noch ehe das Spiel zu Ende war.« Ihr seid eine ausgemachte Stümperin, und ich bin nur froh, dass Ihr mir bald gänzlich aus den Augen kommt.»
    Bei diesem wenig liebevollen Verweis erhob sich schon ein allgemeines Geraune der Zustimmung seitens der Schülerinnen, denen die Valiner wegen ihrer würdevoll zurückhaltenden Art und ihrer größeren Geistesgaben missfiel, und Celio hatte alle Mühe, sie mit seinen Trostworten davor zu bewahren, dass sie in Ohnmacht fiel, als völlig erhitzt, eine Fackel in der Hand, eine Laienschwester hereingestürzt kam und lauthals rief:« Die Gondel Seiner Exzellenz Formiani! Rasch, Platz da, der Ratsherr Formiani!»
    Der so atemlos Angekündigte war einer der mächtigsten Männer der Republik, seit vierzig Jahren saß er im Rat der Zehn: Nicht zu Unrecht munkelte man, er sei die Seele des geheimen Inquisitionstribunals, das sich bekanntlich aus drei Mitgliedern zusammensetzt, die aus dem Rat der Zehn gewählt werden. 13 Wenn ein solcher Mann einem Haus die Ehre seines Besuchs androhte, löste das natürlich jedes Mal unbestimmte Ängste aus, und hier kam aber noch ein anderes Motiv hinzu, das sie noch weiter schürte. Vor einigen Tagen noch war von Formiani wie von einem toten Mann die Rede gewesen, da hatten einige es nicht erwarten können und hinter vorgehaltener Hand schon mit der Totenrede auf ihn begonnen. Man denke sich also, wie sich im Sprechsaal der Seraphinerinnen nun all jene fühlten, die ihr Gewissen von solcher Schuld nicht frei wussten! Bei der bloßen Nennung des Namens kam es zum Tumult; die Damen erhoben sich, Stühle wurden gegen die Wand gerückt, die Jungfern zupften ihre Kleider zurecht, die Schwestern liefen hierhin und dorthin, hinaus und herein, um Ordnung zu schaffen, wo immer es ging in so kurzer Frist. Und alle flüsterten sich ins Ohr:«Was ist denn geschehen...? Was mag das zu bedeuten haben? War er denn nicht todkrank?»
    Die größte Verwirrung malte sich jedoch in den Gesichtszügen der Äbtissin, wo in einem Augenblick so viele angenehme und unangenehme Regungen aufeinanderfolgten, wie auf einem menschlichen Antlitz nur erscheinen können. Zunächst war da Bestürzung, die sie aber blitzartig mit einer Art Lächeln fortwischte, sollte man doch nicht von ihr sagen können, sie habe den Namen des Inquisitors – sei er nun lebendig, tot oder wiederauferstanden – mit Verdruss vernommen; doch das Lächeln hielt nicht vor, verscheucht von übermächtiger Furcht, und die Furcht wich der Hoffnung und diese wiederum der Verzweiflung, als sie daran dachte, dass die eben von ihr so brüsk Gescholtene Formianis Schützling war; daher sprang sie mit einem Satz von ihrem Ehrenplatz auf, eilte zu Morosina, umarmte sie und flüsterte ihr wer weiß welche Flut von Entschuldigungen, Ermahnungen und Bitten ins Ohr; dann sagte sie, an Celio gewandt:«Und Sie, Signor Cavaliere, trösten Sie doch diese liebe, teure Seele über den Schrecken, den ich ihr, freilich ohne Absicht, eingejagt habe!»
    Dann lief sie, ohne eine
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