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Ein Engel an Güte (German Edition)

Ein Engel an Güte (German Edition)

Titel: Ein Engel an Güte (German Edition)
Autoren: Ippolito Nievo
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nachdenkliche Schwermut rief einen Funken von Gewissen in ihnen wach, und dadurch regte sich insgeheim ein Stachel der Scham und ein entsetztes Grauen vor sich selbst. Da sich aber derlei Gefühle nicht auf Anhieb bekunden, war ihr Triumph zunächst groß; im Sturm eroberte sie Herzen, die allseits gegen den keuschen Zauber des Schönen gewappnet waren; als die Zuhörer indes spürten, wie dieses vage Entzücken überging in unerwarteten Abscheu, war der Triumph in künstlerischer Hinsicht zwar noch vollkommener, doch schrieb nun jeder den Stimmungsumschwung dem faden Gejammer der Musik zu.
    « Sag mal, Schatz», flüsterte die Gräfin Carmini ihrer Costanza ins Ohr,«ist das, was das Mädchen uns da vorspielt, vielleicht das Miserere?»
    « Oh, das weiß ich wirklich nicht!», antwortete Costanza.«Es kann aber sein, und sie hätte allen Grund, es zu spielen, denn in einem Monat verlässt sie das Kloster, und Gott weiß, was für ein Leben sie führen muss, ihre Familie ist ja bettelarm. »
    « Sei still, Ninettchen», versetzte die Mutter.«Ist das nicht die Valiner ...? Sei still... das Mädchen ist nicht übel, auch wenn sie jetzt ein wenig griesgrämig dreinschaut, aber wenn sie erst einmal die klösterliche Zimperlichkeit abgelegt hat, wird sie dort in Asolo schon Zerstreuung finden...! Donnerwetter, auf dem Land...! Weißt du, für ein, zwei Jährchen lebt es sich dort besser als in Venedig! »
    « Was Sie nicht sagen!», antwortete Costanza lächelnd.«In Asolo besser als in Venedig! Aber wenn Sie selbst, Frau Mutter, mir doch tausendmal gesagt haben, Sie würden es in diesem elenden Nest nicht aushalten!»
    « Ei, sieh doch die kleine Närrin, die noch immer nichts begriffen hat!», erwiderte die Gräfin.« Für mich ist das eine Sache, für ein junges Mädchen aber etwas ganz anderes! Weißt du nicht, wie viel weniger Zwang ihr das Landleben auferlegt...? Dort nimmt man es nicht so genau...! Sie kann sich austoben, bis sie es satt hat, dann kommt sie hierher zurück und fängt noch einmal ganz von vorne an, unschuldig wie eh und je!»
    An diesem Punkt der Unterhaltung ließ Morosina mit einer düsteren Kadenz eines dieser kleinen Musikstücke ausklingen, in denen der Gegensatz zwischen Lebensfreude und Trauer den herzzerreißendsten Eindruck hervorbringt. Kein einziges Paar Hände wagte einen wenigstens schüchternen Applaus, selbst die des Signor Terni nicht; kein einziger Mund öffnete sich zu einem Laut teilnehmenden Beifalls, im ganzen Saal war nur ein erleichtertes Aufatmen zu vernehmen, das sich einmütig diesen erschlafften Busen entrang. Das alles wurde übertönt von einem tiefen Seufzer der Mutter Oberin, etwas zwischen Grunzen und Gähnen; und zu dem Mädchen gewandt, das sich hinter dem Cembalo ganz klein gemacht hatte, fragte sie:«Was habt Ihr denn da zusammengeklimpert, meine Liebe? Ich gratuliere, Ihr werdet von Tag zu Tag schlechter, auch in der Musik...! Und ich, die ich diesen edlen Damen eine angenehme Unterhaltung bieten wollte ...! Ich bitte Sie um Verzeihung ... aber heute... Dieses Mädchen ist wirklich der Nichtsnutz hier im Kloster, da aber alle anderen ihre werten Verwandten hier hatten, musste ich sie auffordern.»
    Celio trat aus der Ecke, wo er bisher gestanden hatte und wo die tränenerfüllten Augen des Mädchens scheu nach ihm gesucht hatten, trat in die Mitte und sagte:«Die hochwürdige Mutter Oberin spricht zu Unrecht vom geringen Verdienst der edlen Spielerin. Was mich angeht, so schwöre ich, dass ich noch bei keiner Musik einen so großen und so vollkommen neuartigen Genuss empfunden habe wie gerade eben, ja, dass ich mir diesen nicht einmal hätte vorstellen können!»
    Die Äbtissin schürzte die Lippen und stieß zwischen den Zähnen hervor, diese Worte seien einzig und allein von erlesenster Höflichkeit diktiert. Unterdessen deuteten die um sie versammelten Damen grinsend und miteinander tuschelnd auf Morosina und den Cavaliere; noch dreister benahmen sich ein paar Stutzer, aus deren Mitte lautes Gelächter erscholl. Celio errötete vor Ärger und vielleicht auch vor Scham, denn er verstand, was dieses Gelächter bedeutete; er wusste jedoch nichts Besseres zu tun als dem Mädchen einen Blick inniger Liebe zuzuwerfen, diesem Haufen von Unverschämten aber einen Blick tiefster Verachtung. Die Äbtissin gab sich freilich mit diesem Ausgang der Sache nicht zufrieden, wandte sich Morosina zu und befahl ihr, die begangene Ungezogenheit gefälligst wiedergutzumachen und
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