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Ein Engel an Güte (German Edition)

Ein Engel an Güte (German Edition)

Titel: Ein Engel an Güte (German Edition)
Autoren: Ippolito Nievo
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heißt?»
    « Das ist Signor Celio Terni», antwortete die Oberin.«Ein sehr gottesfürchtiger Edelmann, eifriger Besucher unseres Sprechsaals, dem er durch seine Gegenwart und seine vornehmen Manieren Glanz verleiht.»
    « Ach ja, jetzt erinnere ich mich! Bravo! Bravo! Cavalier Terni, der Besitzungen in Caneva und auch in Asolo hat... gewiss!»
    « Einen prächtigen Landsitz, im letztgenannten Ort, heißt es ...», versetzte die Äbtissin.
    « Sehr gut, vortrefflich!», fuhr der andere fort, ohne sie weiter zu beachten.«Don Gasparo, wie spät ist es?»
    « Schlag zehn Uhr», antwortete dieser.
    « Viertel nach zehn», korrigierte der Cappanera.
    « Viertel nach zehn!», wiederholte Formiani überrascht.«Wie schnell doch die Zeit vergeht im Zusammensein mit Eurer heiligen Mutterschaft, teure Hochwürdige! Es ist Zeit, nach Haus zu gehen, potztausend! Zu so vorgerückter Stunde im Haus der Bräute Christi noch solchen Lärm zu schlagen...! Es kommt mir fast vor wie ein... Hm! Hm!»
    Ein Gehüstel wurde passend eingesetzt, um ein paar weitere Wörtchen zu übertönen, die keusche Nonnenohren hätten beleidigen können.
    « Don Gasparo, fass mich fest unterm Arm... Vorwärts, Bernardo, vorwärts...! Bemühen Sie sich bitte nicht meinetwegen, ehrwürdigste Mutter...! Danke, danke, meine edlen Damen und Herren! Ihnen allen eine gute Nacht!»
    « Die Gondel Seiner Exzellenz Formiani!», riefen zwanzig Stimmen bei der Tür und am Kanalufer.« Schnell! Platz da! Zurück! Vorwärts ...!»
    Während Seine Exzellenz die Kniefälle der Äbtissin und der Schwestern mit einem Kopfnicken quittierte, kommandierte er Don Gasparo und Bernardo herum, ihn hochzuheben, herabzulassen, festzuhalten, niederzusetzen, wie etwa einer seiner Vorfahren auf den Galeeren vor Lepanto getan haben mochte. 20
    « Guten Tag, Agatina!», sagte er, am Ufer angelangt, zu einer buckligen alten Nonne, die sich mit größerer Herzlichkeit vor ihm zu verneigen schien als die übrigen.
    « Ergebenste Dienerin, Exzellenz!», antwortete diese unter den neidischen Blicken der Mitschwestern.
    Als die gebrechliche Gestalt des Alten endlich in den schwarzen Kissen ruhte und die Tür geschlossen war, 21 glitt die Gondel davon, nachgerade romantisch, als hüte sie hinter ihren dunklen Vorhängen keusch ein verbotenes Liebesgeheimnis.
    « Edle Damen und Herren», rief, in den Sprechsaal zurückgekehrt, die Ätbissin mit lauter Stimme,« Seine Exzellenz ist der Meinung, es zieme sich nicht für die unwürdigen Bräute Christi, um diese Stunde noch länger weltlichen Vergnügungen zu frönen... Daher, wenn es den Herrschaften beliebt ...»
    Sie hatte den zweiten Satz kaum begonnen, als die Damen und Herren mit Dankes- und Abschiedsworten Hals über Kopf in die Vorhalle drängten, und die Carminis überstürzter als alle anderen; da sie sich jedoch am anderen Ende des Saals befanden, erreichten sie den Ausgang im Augenblick des größten Andrangs, und Momolino, der mit beiden Händen ruderte, um für den Reifrock der Gräfin Platz zu schaffen, wurde fast erdrückt. In dieses Durcheinander mischten sich auch die Klosterschülerinnen, ebenfalls grüßend und dankend; und ganz zuletzt ging auch Celio, der in diesem heillosen Wirrwarr seine Blicke nicht vom Grafen Carmini gewandt hatte, mit einer Aufdringlichkeit, in der etwas Verächtliches lag.
    « Da haben wir ja einen echten Volkstribun!», murmelte er zwischen den Zähnen, als er in der Vorhalle angelangt war, und nachdem er sich mit einer knappen Verbeugung von Morosina verabschiedet hatte, stieg er nachdenklich ans Kanalufer hinunter. Diese, die nicht wusste, dass sie Gegenstand der Unterhaltung eines Staatsinquisitors gewesen war, schickte ihm einen Blick voll inniger Abschiedsgrüße hinterher; voller Küsse, würde man heute sagen, doch zu jener Zeit waren die Liebesbezeugungen so überschwänglich, dass dieser Blick einem gewöhnlichen Beobachter nahezu gleichgültig erschienen wäre.
    Celios Gondel war die letzte, die ablegte; dann versanken die Gewässer des Kanals in schlummernde Finsternis, die Klosterpforte wurde doppelt und dreifach verriegelt, die Kerzen verloschen, die Mädchen zogen sich in ihre Schlafsäle zurück und die Nonnen in den Chor, um dort etwas verspätet die Komplet 22 zu singen.
    In jener Menschenmenge, die sich auf eine scherzhafte Bemerkung Formianis hin in die Gondeln gestürzt hatte wie ein Schwarm Frösche, der beim Herannahen des Gewitters untertaucht, hatten die Carminis die
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