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Rage Zorn

Rage Zorn

Titel: Rage Zorn
Autoren: Brown Sandra
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Prolog
    Bis sechs Minuten vor Schluss war es eine ganz normale Sendung gewesen.
    Â»Es ist eine heiße Nacht hier im Hill Country. Vielen Dank, dass Sie mir auf 101.3 Gesellschaft geleistet haben. Es war mir wie jeden Abend von Montag bis Freitag ein Vergnügen, Sie unterhalten zu dürfen. Ich bin Paris Gibson, und ich bringe Ihnen klassische Lovesongs.
    Heute Abend möchte ich mich mit drei von meinen Lieblingssongs verabschieden. Ich wünsche Ihnen, dass Sie diese Songs gemeinsam mit einem geliebten Menschen hören können. Bleiben Sie einander treu.«
    Sie drückte den Knopf auf dem Mischpult, um ihr Mikrofon zuzumachen. Die drei Stücke würden ohne Unterbrechung bis 1 Uhr 59:30 laufen. Während der dreißig letzten Sekunden vor zwei Uhr würde sie ihren Zuhörern noch einmal danken, ihnen eine gute Nacht wünschen und sich verabschieden.
    Während Yesterday spielte, schloss sie die Augen und rollte ihren Kopf hin und her, um die verspannten Schultern zu lockern. Verglichen mit einem acht- bis neunstündigen Arbeitstag könnte man eine vierstündige Radiosendung für einen lockeren Spaziergang halten. Weit gefehlt. Bis zum Ende der Sendung war sie regelmäßig auch mit ihren Kräften am Ende.
    Sie arbeitete allein und moderierte die Titel, die sie vor der Show ausgewählt und in die Playlist eingespeichert hatte, auch selbst an. Die eingehenden Zuhörerwünsche erforderten ständige Änderungen der Playlist, weshalb sie die Studiouhr im Auge
behalten musste. Obendrein beantwortete sie alle eingehenden Anrufe persönlich.
    Die notwendigen Handgriffe erledigte sie dabei wie im Schlaf, aber das galt nicht für ihre Ansagen. Sie erlaubte sich nie, in Routine abzugleiten oder schludrig zu werden. Paris Gibson hatte, teils unterstützt von Stimmlehrern, teils allein, schwer daran gearbeitet, den unverkennbaren »Paris-Gibson-Sound« zu perfektionieren, für den sie inzwischen berühmt war.
    Diesen perfekten Klang und Tonfall zu treffen, kostete sie mehr Kraft, als sie selbst merkte, denn nach zweihundertvierzig Minuten vor dem Mikrofon schmerzten ihre Nacken- und Schultermuskeln regelmäßig vor Müdigkeit. Dieser brennende Schmerz war ein Beweis dafür, wie gut sie gewesen war.
    Etwa nach der Hälfte des Beatles-Klassikers zeigte eine Telefontaste mit einem roten Blinken einen Anruf an. Sie fühlte sich versucht, den Anrufer zu ignorieren, aber offiziell blieben noch sechs Minuten Sendezeit, und sie stand bei ihren Zuhörern im Wort, dass sie ihre Anrufe bis um zwei Uhr morgens entgegennahm. Es war schon zu spät, um den Anrufer noch auf Sendung zu nehmen, aber sie musste das Gespräch zumindest annehmen.
    Sie drückte auf die blinkende Taste. »Sie sprechen mit Paris.«
    Â»Hallo, Paris. Ich bin’s, Valentino.«
    Sie kannte ihn vom Namen her. Er rief in regelmäßigen Abständen an, und sein ungewöhnlicher Name blieb leicht im Gedächtnis haften. Auch seine Stimme war einprägsam, kaum mehr als ein Flüstern, wahrscheinlich um des Effektes willen oder weil er nicht erkannt werden wollte.
    Sie sprach in das Mikrofon über dem Mischpult, das gleichzeitig auch als Telefonmikro diente, wenn sie gerade nicht auf Sendung war. Auf diese Weise hatte sie beide Hände zum Arbeiten frei, während sie mit ihren Zuhörern redete.
    Â»Wie geht es Ihnen heute Abend, Valentino?«
    Â»Nicht gut.«
    Â»Das tut mir Leid.«

    Â»Allerdings. Das wird es.«
    Die Beatles machten Anne Murrays Broken Hearted Me Platz.
    Paris warf einen kurzen Blick auf den Monitor im Mischpult und registrierte automatisch, dass damit der zweite der drei Songs begonnen hatte. Sie war nicht sicher, ob sie Valentino richtig verstanden hatte. »Verzeihung?«
    Â»Ich sagte, das wird dir Leid tun«, sagte er.
    Der dramatische Unterton war typisch für Valentino. Wenn er anrief, war er entweder total aufgedreht oder zu Tode betrübt; so gut wie nie bewegte er sich auf einer emotionalen Zwischenebene. Bei ihm wusste sie nie, was sie erwarten würde, allein schon aus diesem Grund war er ein interessanter Anrufer. Heute Abend klang er jedoch Unheil verkündend, und das war neu.
    Â»Ich verstehe nicht.«
    Â»Ich habe alles genauso gemacht, wie du mir geraten hast, Paris.«
    Â»Ich habe Ihnen etwas geraten? Wann denn?«
    Â»Immer wenn ich angerufen habe. Du sagst doch immer – nicht nur zu mir, sondern
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