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Ein Ende des Wartens

Ein Ende des Wartens

Titel: Ein Ende des Wartens
Autoren: Christian Knieps
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sein.
Nein, antwortete Tammy ruhiger. Es gehe nicht darum, dass Annika ein ganzes Jahr nicht auf die Arbeit gehen solle, sondern darum, sich zum Selbstschutz so viel Zeit zu nehmen, bis sie selbst zu der Überzeugung gelangt sei, den weiteren Lebensplan zu kennen. Sollte sich dieser Plan am Ende ändern – dann sei es so –, aber es wäre auch Annikas Pflicht, den Arbeitgeber vor Fehlern zu bewahren, nur weil sie mit ihren Gedanken nicht auf der Arbeit, sondern bei den ungelösten Fragen ihres Privatlebens war.
Diese ganze Diskussion überforderte Annika eindeutig, und obwohl sie Tammy Argumentation vollkommen zu folgen vermochte, hatte sie ein seltsames Gefühl dabei, wenn sie sich vorstellte, wie sie am nächsten Morgen den Arbeitgeber anrief, um ihm etwas vorzulügen, was nicht der ganzen Wahrheit entspricht. Was sollte sie ihm sagen? Dass sie eine Auszeit brauche, weil sie sich mit wichtigen Fragen privater Natur beschäftige? Das wäre doch wohl kein Grund für eine Krankmeldung! Wenn sie sich eine Krankheit ausdachte, die vielleicht nicht nachprüfbar war, würde sie trotzdem von ihrer Lüge wissen. Und wenn sie dann mal wirklich krank werden würde, dann konnte sie sich vorstellen, dass sie nicht nur krank zu Hause bleiben musste, sondern sich noch extra Vorwürfe mache, weil sie schon einmal gelogen hatte. Aber war es überhaupt eine Lüge oder hatte Tammy nicht sogar Recht?
Die gesamte Situation überforderte Annika. Nicht nur, dass sie ihre Beziehung mit Marco infrage stellte, sondern auch die Frage nach dem Sinn der letzten Nacht mit Sören und den Erkenntnissen, die darin lagen, und jetzt auch noch diese Frage, auf die sie auch keine Antwort wusste. Es schien ihr fast, als ob sie überhaupt keine Antworten auf die verschiedenen Fragen mehr hatte, und als sie merkte, dass sie weinte, liefen ihr bereits die Tränen über beide Wangen und fielen auf den Terrassenboden, der sie ohne Kommentar aufnahm.
Tammy löste sich von ihrer Position und nahm Annika schweigend in ihren Arm. Ihren Kopf an Tammys Schulter gepresst, heulte Annika minutenlang und bekam dabei aufmunternden Zuspruch von ihrer Freundin, die ihr sanft über den Kopf und den Rücken streichelte.
Tammy wusste, dass der Schmerz und die Verwirrung aus Annika heraus mussten, und somit ließ sie ihre Freundin weinen; solange, bis Annikas Tränen versiegten und das Schluchzen kaum mehr als ein Schlucken war.
Inzwischen hatte sich der bläulich schimmernde Himmel mit Wolken bedeckt, die aber nicht aussahen, als würden sie gleich wieder abregnen. Doch die überaus schnellen Wetterwechsel erstaunten Tammy, und als sie darüber nachdachte, wie diese schnellen Wechsel wohl entstünden, löste sich Annika aus ihrer Umklammerung und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
Mit einem Mal verzog Annika das Gesicht zu einem schrägen Grinsen, und auch Tammy musste darüber so sehr lachen, dass sie beide für einen Moment vergaßen, warum sie überhaupt auf der Terrasse standen und Annikas Augen immer noch feucht und gerötet waren.
Um zu verhindern, dass sie beide wieder in die eben vorherrschende Stimmung zurückfielen, schlug Tammy einen Tapetenwechsel vor, um sich ablenken zu lassen. Bei anderen Gedanken ließe sich leichter die Befreiung des Kurzurlaubes spüren, und vielleicht komme Annika ja doch noch auf die Idee, ein paar Tage krank zu machen, um den Urlaub zu verlängern.
Auch wenn Annika Tammys Ausführung nicht ganz zustimmen konnte, so fand sie den Vorschlag eines Ausflugs richtig und schlug vor, sich eine Stadt in der Nähe anschauen zu gehen. Sie einigten sich auf eine Stadt, die eine knappe halbe Stunde entfernt an einer Einbuchtung der Ostsee lag, und die Bilder, die sie beide von der Stadt in einem Reiseführer zu sehen bekamen, den sie im Ferienhaus fanden, versprachen einen netten Hafen mit einer einladenden Promenade.
     
     

21
    Bis Annika die Spuren ihres Weinkrampfes aus ihrem Gesicht beseitigt und sich neu eingekleidet hatte, verging fast eine halbe Stunde. Tammy las derweil in ihrem Roman weiter, den sie bereits über die Hälfte gelesen hatte.
Als Annika aus dem Badezimmer nach unten kam, packten beide ihre Handtaschen, nahmen sich eine Wasserflasche mit und verließen das Ferienhaus. Zur Sicherheit drehte Annika den Schlüssel so oft um, wie es nur ging, um gleich danach den Verschluss der Türe mehrfach zu prüfen.
Zusammen gingen sie zum Auto, das immer noch hinterm Haus stand. Im Auto selbst herrschte eine für Annika
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