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Ein Ende des Wartens

Ein Ende des Wartens

Titel: Ein Ende des Wartens
Autoren: Christian Knieps
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und Annika blickte wieder ins Nichts des angrenzenden Rasens, während Tammy aufstand, um in der Küche einen Tee kochen zu gehen.
Tammy hatte Recht, das wusste Annika genau, und für sie war auch klar, dass der Abend und die Nacht mit Sören nur ein Ausrutscher war – einer zwar, der sein musste, aber der auch nicht mehr sein durfte.
Sollte sie Marco von diesem Ausrutscher erzählen? Was würde das für einen Eindruck hinterlassen, wenn sie ihm eine E-Mail oder einen zweiten Brief schickte – wenn er dann den ersten las und gleich hinterher, dass sie ihm jetzt auch noch fremdging. Wenn die Beziehung für Marco nicht schon bereits beendet war, dann wäre sie es spätestens damit. In diesem Punkt war sich Annika felsenfest sicher. Dafür kannte sie Marco viel zu gut, als dass er diesen Fehltritt von ihr als Vorwand nehmen würde, um ihr die Schuld am Scheitern der Beziehung zu geben, denn wenn Marco eines nicht konnte, dann war es, richtig über ihre Beziehung zu reden. Das war wohl auch der Grund, warum er den Umweg über Afrika nehmen musste, um Abstand von Annika und seinem Alltag zu erhalten – mit dem ungewissen Ausgang für Annika, da sie weder wusste, ob Marco eine Auszeit oder ein Ende wollte.
Sie hätte eine Aussprache erzwingen sollen, ärgerte sich Annika plötzlich und schlug mit ihrer flachen Hand genau in dem Moment gegen den Liegestuhl, als Tammy mit einer Teekanne und zwei Bechern auf die Terrasse zurückkehrte.
Ob alles in Ordnung sei, wollte ihre Freundin wissen, und Annika nickte, auch wenn nichts in Ordnung war.
Noch bevor Tammy die beiden Becher mit Tee gefüllt hatte, revidierte Annika ihre Aussage und presste hervor, dass doch nicht alles in Ordnung sei.
Marco, sagte Tammy und wusste, dass es nur dieses Thema sein konnte.
Natürlich, antwortete Annika. Sie frage sich immer noch, was Marco mit seiner Flucht nach Afrika bezwecke.
Er wolle sicherlich die Distanz nutzen, um herauszufinden, ob er weiter mit ihr zusammen sein will, oder ob er seinen Lebensplan anpassen müsse, weil er dann doch nicht der sesshafte Arzt werden möchte, antwortete Tammy.
Angenommen, er möchte doch der sesshafte Arzt werden und macht seine eigene Praxis auf, entscheidet sich für sie und ihre Beziehung – ob Tammy meine, dass Annika Marco von der Nacht mit Sören erzählen solle.
Auf keinen Fall, schoss es aus Tammy hervor. Alles, nur das nicht.
Warum?
Weil es am Ende keinen Unterschied mache, egal, wie es mit den beiden weitergehe, meinte Tammy und fuhr fort, dass, wenn sie auseinandergehen würden, es sowieso dazu käme – und sie dann wahrscheinlich die Schuldige sei, und wenn sie zusammenblieben, dann konnte sie Marco auf keinen Fall etwas erzählen, denn er würde gleich ausrasten und die Beziehung noch in diesem Augenblick beenden. Also müsse sie zwangsläufig darüber schweigen, und sie würde es auch, pflichtete Tammy ihrer Freundin bei.
Aber ob das rechtens sei, fragte Annika.
Warum rechtens? Was habe denn das damit zu tun, ob das rechtens sei?
Nun ja, fuhr Annika fort, immerhin sei sie Marco fremdgegangen und habe so sein Vertrauen missbraucht. Sie könne ja nicht mehr in den Spiegel schauen, ohne dass sie dauernd an ihre Schuld denken müsse.
Damit müsse sie wohl oder übel fertig werden, denn eine andere Wahl habe sie nicht. Insbesondere dann nicht, wenn sie sich dafür entscheiden würde, mit Marco zusammen zu bleiben. Außerdem – was bringe es denn, wenn er es wüsste? Das einzige, das sich dann an der Grundkonstellation ändern würde, wäre nur, dass sie die Schuld an der Misere ihrer Beziehung trüge, sonst nichts. Und dabei sei Marco doch derjenige gewesen, der ihre Beziehung grundlos aufs Spiel gesetzt habe, indem er für sich entschied, nach Afrika zu gehen, ohne sie in die Entscheidung mit einzubinden. Nein, Annika solle sich bloß nicht zum Sündenbock des Beziehungsbruchs machen! Und wenn sie es nicht ertragen könne, in den Spiegel zu schauen oder in Marcos Anwesenheit diesen Seitensprung zu verschweigen, dann müsse sie die Konsequenz ziehen und die Beziehung beenden. Eine andere Möglichkeit gebe es nicht, meinte Tammy und ließ ihre Blick zum bläulich schimmernden Himmel gleiten, an dem ein einsames Flugzeug in hoher Höhe seine Bahnen zog.
     
     

20
    Annika dachte nach. Über ihre Optionen, über Marcos und ihr eigenes Verhalten, und auch wenn sie versuchte sich einzureden, dass er an der ganzen Misere die Schuld trug, so wurde sie das Gefühl nicht los, dass sie
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