Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein Earl mit Mut und Leidenschaft

Titel: Ein Earl mit Mut und Leidenschaft
Autoren: Julia Quinn
Vom Netzwerk:
machte auch nichts, dass sie es in einem praktischen Knoten trug. Sie brauchte weder Lockenstab noch Samtbänder. Selbst wenn sie sich das Haar straff nach hinten gebunden oder es ganz abrasiert hätte -sie wäre immer noch das bezauberndste Geschöpf gewesen, das er je gesehen hatte.
    Es war ihr Gesicht, es musste ihr Gesicht sein. Es war herzförmig und blass, und sie hatte bemerkenswert schön geschwungene Brauen. Ihre Augenfarbe konnte er in dem schummrigen Licht nicht erkennen, es war eine Tragödie. Aber ihre Lippen ...
    Er hoffte von Herzen, dass sie nicht verheiratet war, denn er war fest entschlossen, sie zu küssen. Es war nur noch eine Frage der Zeit.
    Dann - er bemerkte es sofort - entdeckte sie ihn. Sie zuckte zusammen und erstarrte, und ihre Augen weiteten sich vor Schreck. Er lächelte reuig, schüttelte den Kopf. Hielt sie ihn für verrückt, weil er sich ins Winstead House geschlichen hatte und nun heimlich dem Konzert beiwohnte?
    Nun, den Eindruck musste die Situation wohl auf sie machen. Er kannte die Anzeichen von Misstrauen. Sie wusste nicht, wer er war, und während des Auftritts würde man im Hinterzimmer auch gewiss niemanden erwarten.
    Das Erstaunliche war, sie schaute nicht weg, vielmehr hielt ihr Blick den seinen fest. Daniel bewegte sich nicht, atmete nicht einmal, bis der Augenblick durch seine Cousine Harriet zerstört wurde, die die dunkelhaarige Frau anstupste und ihr etwas zuflüsterte, wahrscheinlich, dass sie ihren Einsatz verpasst habe.
    Danach sah die Frau nicht mehr auf.
    Doch Daniel ließ sie nicht aus den Augen. Er beobachtete sie, wie sie sich durch das Stück arbeitete, beobachtete sie bei Läufen und Akkorden, bei piano und fortissimo. So versunken war er in diese Beobachtung, dass er irgendwann nicht einmal mehr die Musik hörte. In ihm spielte eine eigene Symphonie, üppig und voll, die sich auf ihren eigenen vollkommenen, unvermeidlichen Höhepunkt zubewegte.
    Den sie nie erreichte. Der Bann wurde gebrochen, als das Quartett die letzten Noten in den Saal schickte, und die vier Damen sich daraufhin erhoben und vor dem Publikum knicksten. Die dunkelhaarige Schöne sagte etwas zu Harriet, die den Applaus so strahlend entgegennahm, als hätte sie selbst musiziert, und lief dann so eilig davon, dass Daniel sich nicht gewundert hätte, wenn sie auf dem Boden Spuren hinterlassen hätte.
    Egal. Er würde sie schon finden.
    Rasch ging er zum rückwärtigen Teil von Winstead House. Als junger Mann hatte er sich selbst oft genug davongeschlichen; er wusste genau, welchen Weg man einschlagen musste, um unbemerkt zu verschwinden. Und wie vermutet, stieß er auf sie, als sie um die letzte Ecke zum Dienstboteneingang bog. Sie sah ihn nicht gleich, sie nahm ihn erst wahr, als ...
    „Da sind Sie ja!“, sagte er und lächelte, als wäre sie eine lang vermisste Freundin. Wenn man jemanden aus der Reserve locken wollte, gab es nichts Besseres als ein unvermutetes Lächeln.
    Vor Schreck geriet sie ins Taumeln, und ihr entfuhr ein spitzer Schrei.
    „Lieber Himmel“, sagte Daniel und presste ihr die Hand auf den Mund. „Machen Sie doch nicht so einen Lärm. Am Ende hört Sie noch jemand.“
    Er zog sie an sich - anders hätte er ihr den Mund nicht zuhalten können. Ihr Körper fühlte sich klein und zierlich an, und sie zitterte wie Espenlaub. Sie schien nackte Angst zu haben.
    „Ich tue Ihnen nichts“, erklärte er. „Ich will nur wissen, was Sie hier machen.“ Er wartete einen Augenblick und beugte sich dann vor, um ihr Gesicht besser betrachten zu können. Ihr Blick begegnete dem seinen, dunkel und zutiefst beunruhigt.
    „Also“, sagte er, „wenn ich Sie loslasse, sind Sie dann still?“
    Sie nickte.
    Er dachte kurz nach. „Sie lügen.“
    Sie rollte mit den Augen, als wollte sie sagen: Was haben Sie denn erwartet? und er lachte. „Wer sind Sie?“, fragte er.
    Und dann passierte etwas äußerst Merkwürdiges. Sie entspannte sich in seinen Armen. Jedenfalls ein bisschen. Er spürte, wie ihre Verkrampfung sich ein wenig lockerte, spürte ihren Atem, wie er über seine Finger strich.
    Interessant. Sie hatte nicht befürchtet, dass er nicht wusste, wer sie war. Sie hatte befürchtet, er wisse, wer sie war.
    Langsam und so bedächtig, dass ihr klar sein musste, er könnte es sich jederzeit anders überlegen, hob er die Hand von ihrem Mund. Die andere Hand ließ er allerdings an ihrer Taille liegen. Ihm war durchaus bewusst, dass das selbstsüchtig von ihm war, aber er konnte sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher