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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer
Autoren: Lord Sherry
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1
    «Oh, schweigt, Mylord, ich bitte Euch»,
sagte Miss Milborne in beschwörendem Ton, wobei sie ihr liebliches Antlitz
etwas zur Seite neigte und beide Hände über dem Busen kreuzte.
    Ihr Besuch,
ein hochgewachsener junger Gentleman, der sich romantischerweise vor ihrem
Stuhl auf ein Knie niedergelassen hatte, schien durch ihre gestammelte Bitte
völlig aus der Fassung zu geraten.
    «Verdammt,
Isabella – ich meine, verwünscht ...» verbesserte er sich ein wenig ungeduldig,
als die junge Dame ihre braunen Augen vorwurfsvoll auf ihn richtete; dann
wendete er ein: «... ich habe doch noch gar nicht begonnen!»
    «Ach,
bitte, tut es nicht.»
    «Ich habe
aber die Absicht, um deine Hand anzuhalten», sagte der Viscount mit weit mehr
als bloß einem Anflug von Strenge.
    «Ich ahnte
es», erwiderte die junge Dame. «Doch es ist völlig aussichtslos. Oh, schweigt,
Mylord, ich bitte Euch.»
    Der
Viscount erhob sich aufs äußerste gekränkt von seinem Knie. «Ich muß sagen,
Isabella, du hättest mich wenigstens zu Wort kommen lassen sollen!» rief er
ärgerlich.
    «Mylord,
den Kummer wollt ich Euch ersparen.»
    «Ich wäre
dir dankbar, wenn du endlich aufhören würdest, in dieser verdammt
theatralischen Weise mit mir zu sprechen», sagte der Viscount, «und hör
endlich auf, zu mir < Mylord > zu sagen, als hättest du mich nicht dein
ganzes Leben lang gekannt.»
    Miss
Milborne errötete und wurde womöglich noch etwas förmlicher. Da ihre
Besitzungen aneinandergrenzten, war es vollkommen richtig, daß sie den Viscount
zeitlebens gekannt hatte. Durch ihre blendende Karriere als anerkannte Beauté,
der die Hälfte aller heiratsfähigen jungen Männer Londons zu Füßen lag, war
sie aber an ein bei weitem ehrerbietigeres Benehmen gewöhnt als jenes, das der
Spielgefährte ihrer Kindheit an den Tag legte. Etwas erzürnt, sah sie kühl aus
dem Fenster, während ihr Freier einige Male hastig durch das Zimmer schritt.
    Die
Aussicht auf saubere Rasenflächen, reich besetzte Blumenbeete und gestutzte
Hecken war wohl lieblich, aber Miss Milborne hielt sich durchaus nicht aus
Liebe zu der herrlichen waldreichen Umgebung auf dem Lande auf.
    Sie hatte
sich vor einigen Wochen aus der Hauptstadt zurückziehen müssen, weil sie sich
an einer abscheulichen Kinderkrankheit angesteckt hatte, die sie zwang, in
einem Moment den Augen der vornehmen Welt zu entschwinden, in dem es ihr von
niemandem übelgenommen worden wäre, hätte sie sich, wenn schon nicht als ihren
Mittelpunkt, so doch als ihren Hauptanziehungspunkt betrachtet. Ihre Mama war,
was die Lächerlichkeit
ihrer Erkrankung anbelangte, ebenso vernünftig wie sie selbst und hatte das
Gerücht verbreitet, daß Isabella durch die Anforderungen des
gesellschaftlichen Lebens völlig erschöpft sei. Sie hatte sie in einer
vierspännigen Kutsche eiligst nach Kent gebracht, wo sie sich in angemessener
Weise in einem bequemen Herrenhaus vor den Verfolgungen der jeunesse dorée verbergen konnte und in völliger
Abgeschiedenheit nicht nur Gelegenheit fand, Gesundheit und Schönheit wiederzuerlangen,
sondern ihre Krankheit auch auf zwei Kammerzofen und einen kleinen Pagen zu
übertragen. Sie hatte das Krankenzimmer bereits vor einigen Wochen verlassen,
da sie aber noch immer etwas blaß war und noch nicht im vollen Besitz ihrer
Schönheit, hatte sich Mrs. Milborne, eine Dame, die sich durch ihren
bewunderungswürdig scharfen Verstand auszeichnete, entschlossen, sie auf dem
Land zu lassen, bis die Rosen – wie sie sich ausdrückte – wieder auf ihren
Wangen erblühten.
    Eine Schar
glühender Bewunderer stellte sich in Milborne House ein, die in der Hoffnung,
daß man ihnen gestatten würde, einen Schimmer der Unvergleichlichen zu
erhaschen, den weiten Weg von London hergefahren kamen. Die Tür blieb ihnen
jedoch verschlossen, und sie waren genötigt, ihre Blumensträuße und
leidenschaftlichen Billetts in den Händen eines keineswegs empfindsamen
Butlers zu lassen und ihre mannigfaltigen Wagen wieder stadtwärts zu lenken,
ohne wenigstens der Erquickung teilhaftig geworden zu sein, ihre Lippen auf die
lilienweißen Hände der Beauté drücken zu dürfen.
    Lord
Sheringham wäre zweifellos derselbe Empfang zuteil geworden, wäre er nicht, in
höchst unschöner Weise auf seine lange Bekanntschaft mit der Familie pochend,
von Sheringham Place, wo er die Nacht verbrachte, herübergeritten, um, nachdem
er sein Pferd in den Stallungen eingestellt hatte, den Garten zu durchschreiten
und das Haus
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