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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer
Autoren: Lord Sherry
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den schweren
Verdacht hegte, daß seine Leidenschaft für sie nie so ungestüme Formen annehmen
könnte, ihn zu veranlassen, in dieses inspirierte Kunstwerk seines
Kammerdieners störend einzugreifen. Er war größer als Wrotham, ziemlich
schlaksig und neigte dazu, in seinem Äußeren eher etwas achtlos zu sein. Diese
Kritik wäre, wie Miss Milborne anzuerkennen gezwungen war, bei dieser
Gelegenheit allerdings nicht berechtigt gewesen. Er hatte sich unverkennbar mit
großer Sorgfalt gekleidet. Nichts hätte zierlicher sein können als das
Halstuch, das er trug, und nichts sorgfältiger gestärkt als die hohen Spitzen
seines Hemdkragens. Sein langschößiger Rock aus blauem Tuch, den kein
Geringerer als der große Stulz selbst angefertigt hatte, saß faltenlos auf
seinen Schultern; die Reithosen waren, der Mode entsprechend, blaßgelb und die
Stulpenstiefel auf Hochglanz poliert. Während er jetzt im Zimmer auf und ab
schritt, wurde sein Gesicht durch einen ziemlich finsteren Blick entstellt;
doch seine Gesichtszüge waren gut geschnitten, und wenn ihm auch der
romantische Ausdruck Wrothams fehlte, konnte man doch nicht leugnen, daß er,
wenn er wollte, auf eine Art lächeln konnte, die seinem eigensinnigen Mund
ungemein viel Charme verlieh. Er besaß irreführenderweise die blauen Augen
eines Engels, die einen seltsamen Kontrast zu dem undefinierbar flotten
Anstrich bildeten, der seiner Person anhaftete. Während ihn Miss Milborne
betrachtete, begegneten sich zufällig ihre Blicke. Einen Moment lang starrten
sie einander kriegerisch an, dann aber gewann die Gutmütigkeit Seiner
Lordschaft die Oberhand, und er sagte grinsend: «Ach was, hol's der Teufel,
Bella, du weißt doch, daß ich bis über die Ohren in dich verliebt bin.»
    «Nein, das
weiß ich nicht», sagte Miss Milborne mit unvermuteter Ehrlichkeit.
    Der
Viscount zog ein langes Gesicht. «Aber, mein liebes Mädel! Nein, wirklich,
Bella! Bin dein ergebenster Sklave. Ehrenwort eines Gentleman, das bin ich
wahrhaftig! Du lieber Gott, bin ich dir denn nicht, seit ich dich kenne,
nachgelaufen?»
    «Nein»,
sagte Miss Milborne.
    Der
Viscount sah sie flüchtig an.
    «Als du
mich kennenlerntest», sagte Miss Milborne keineswegs boshaft, sondern
lediglich wie jemand, der die Wahrheit feststellt, «sagtest du, daß alle
Mädchen lästige Quälgeister sind. Und du nanntest mich Füchslein, weil du
behauptetest, ich hätte fuchsrote Haare.»
    «Tatsächlich?»
sagte Seine Lordschaft, und der Mund blieb ihm vor Entsetzen über diese
Ketzerei offen.
    «Ja, das
hast du getan, Sherry; und überdies hast du mich in den Gärtnerschuppen
eingesperrt, und wäre nicht Cassy Bagshot gewesen, hätte ich den ganzen Tag
dort bleiben müssen.»
    «Nein,
nein», protestierte Seine Lordschaft schwach. «Doch nicht den ganzen Tag.»
    «Jawohl,
den ganzen Tag, denn du weißt ganz genau, daß du mit der Vogelflinte deines
Vaters Taubenschießen gegangen bist und keinen Gedanken mehr an mich
verschwendet hast!»
    «Du lieber
Himmel, das hatte ich total vergessen», rief Sherry aus. «Habe dem alten
Grimsby auch noch den Hut vom Kopf geschossen. Der war aber toll vor Wut! Hatte
ein höllisch unangenehmes Temperament, dieser Grimsby! Ging schnurstracks zu
meinem Vater und erzählte es ihm. Wenn ich an die Prügel denke, die mir mein
alter Herr verabfolgte – Ja, übrigens, da du mich darauf gebracht hast, Bella,
wie, zum Kuckuck, hätte ich da noch an dich denken können, wenn mich mein Vater
beim Ohr kriegte und mir so verdammt weh getan hat, daß ich an nichts anderes
mehr denken konnte? Sei vernünftig, mein liebes Mädel, bitte, sei doch
vernünftig.»
    «Das hat
auch nicht soviel zu bedeuten», erwiderte Miss Milborne. «Aber wenn du sagst,
du wärest mir nachgelaufen, seit du mich zum erstenmal sahst, so ist das die
größte Unwahrheit, die ich je gehört habe.»
    «Jedenfalls
habe ich dich lieber als alle andern Mädchen, die ich kenne», sagte der
Viscount verzweifelt.
    Miss
Milborne sah ihn an, während ihre Gedanken offensichtlich in der Vergangenheit
weilten, eine Tatsache, die Sherry besonders auf die Nerven fiel. «Nein, das
glaube ich nicht», sagte sie schließlich. «Wenn du überhaupt jemanden bevorzugt
hast, dann war es Hero Wantage.»
    «Hero?» rief der Viscount aus. «Nein, zum
Kuckuck, Bella, ich habe mein ganzes Leben nie an Hero gedacht. Ich schwöre
es!»
    «Nein, das
weiß ich», sagte Miss Milborne ungeduldig, «aber als wir noch Kinder waren,
hattest du sie
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