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Ein Earl mit Mut und Leidenschaft

Titel: Ein Earl mit Mut und Leidenschaft
Autoren: Julia Quinn
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ob es dieses Jahr besonders übel war. Und man fragte ganz bestimmt nicht nach, warum die Leute immer noch kamen, wenn die Konzerte doch so unerträglich waren.
    In diesem Augenblick kam die fünfzehnjährige Harriet Pleinsworth durch eine Seitentür gewirbelt. „Miss Wynter!“
    Anne schaute sich zu ihr um, doch bevor sie etwas hätte sagen können, verkündete Harriet: „Ich bin gekommen, um für Sie umzublättern.“
    „Danke, Harriet. Das ist äußerst hilfsbereit von dir.“
    Harriet grinste Daisy an, die ihr darauf einen säuerlichen Blick zuwarf.
    Anne wandte sich ab, damit niemand sah, wie sie die Augen verdrehte. Die zwei hatten sich nie verstanden. Daisy nahm sich viel zu ernst, und Harriet nahm überhaupt nichts ernst.
    „Es ist so weit!“, rief Honoria.
    Und dann gingen sie auf die Bühne und begannen nach einer kurzen Einführung zu musizieren.
    Anne hingegen fing an zu beten.
    Lieber Himmel, so hart hatte sie noch nie gearbeitet. Ihre Finger rasten über die Tasten, versuchten verzweifelt, mit Daisy Schritt zu halten, die Geige spielte, als gelte es, ein Wettrennen zu gewinnen.
    Das ist lächerlich, lächerlich, lächerlich, intonierte Anne innerlich. Es war seltsam, aber diese Selbstgespräche waren der einzige Weg, die Sache durchzustehen. Selbst für geübte Pianisten war es ein äußerst schwieriges Stück.
    Lächerlich, lächerlich ... hoppla! Cis! Anne streckte den rechten kleinen Finger aus und traf die Taste gerade noch rechtzeitig. Also ungefähr zwei Herzschläge später als erforderlich.
    Rasch blickte sie zum Publikum. Eine Frau in der ersten Reihe sah ganz krank aus.
    Weiterspielen, weiterspielen. Ach herrje, falsche Note. Egal. Niemand würde es bemerken, nicht einmal Daisy.
    Und sie machte weiter, fragte sich dabei nur halb im Spaß, ob sie einfach irgendetwas spielen sollte. Grauenhafter konnte es unmöglich werden. Daisy flog durch ihren Part, ihre Tonstärke wechselte zwischen laut und extrem laut. Honoria stapfte durch die Partitur, jede Note ein entschlossener Schritt, und Iris ...
    Iris machte ihre Sache tatsächlich gut. Nicht, dass diese Tatsache einen Einfluss auf den Gesamteindruck gehabt hätte.
    Anne atmete tief durch, rieb sich während einer kurzen Pause im Klavierpart wärmend die Hände. Dann ging es zurück an die Tasten, und ...
    Umblättern, Harriet.
    Umblättern, Harriet.
    „Umblättern, Harriet!“, flüsterte sie.
    Harriet blätterte um.
    Anne schlug den ersten Akkord an und bemerkte, dass Iris und Honoria bereits zwei Takte weiter waren. Daisy war - lieber Himmel, sie hatte keine Ahnung, wo Daisy war.
    Anne übersprang ein paar Takte in der Hoffnung, die anderen an der richtigen Stelle einzuholen. Schlimmstenfalls wäre sie irgendwo in der Mitte.
    „Sie haben etwas ausgelassen“, flüsterte Harriet.
    „Macht nichts.“
    Es machte wirklich nichts.
    Und dann gelangten sie endlich, endlich zu einer Passage, in der Anne drei ganze Seiten Pause hatte. Sie lehnte sich zurück, stieß die Luft aus, die sie an die zehn Minuten angehalten hatte, zumindest fühlte es sich so an, und dann ...
    Sah sie jemanden.
    Sie erstarrte. Jemand beobachtete sie aus dem Hinterzimmer. Die Tür, durch die sie die Bühne betreten hatten - und von der Anne sich sicher war, dass sie sie geschlossen hatte -, stand nun einen winzigen Spalt offen. Und weil sie der Tür am nächsten saß und die Einzige im Quartett war, die sie nicht im Rücken hatte, konnte sie einen flüchtigen Blick auf das Gesicht des Mannes werfen, der durch den Spalt linste.
    Schiere Angst stieg in ihr auf, drückte ihr die Lungen zusammen, lief ihr heiß über die Haut. Sie kannte das Gefühl. Sie hatte es glücklicherweise nicht oft, aber doch oft genug. Jedes Mal, wenn sie jemanden sah, der ihr merkwürdig vorkam ...
    Halt.
    Sie zwang sich zum Weiteratmen. Sie war im Haus der Dowager Countess of Winstead. Sie war so sicher wie in Abrahams Schoß. Was jetzt nottat...
    „Miss Wynter!“, zischte Harriet.
    Anne fuhr zusammen.
    „Wo sind wir jetzt?“, fragte sie hastig.
    „Ich weiß nicht. Ich kann keine Noten lesen.“
    Unwillkürlich blickte Anne auf. „Aber du spielst doch Geige.“
    „Ich weiß“, sagte Harriet elend.
    Anne überflog die Noten auf der Seite, so rasch sie konnte, ihr Blick huschte von Takt zu Takt.
    „Daisy sieht uns wütend an“, wisperte Harriet.
    „Psst.“ Anne musste sich konzentrieren. Sie blätterte um, versuchte die Stelle zu erraten, und begann mit einer Passage in g-Moll.
    Und
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