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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell
Autoren: Heinrich Steinfest
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Landesarchivs sich mit seiner Not ausgerechnet an den subalternen Smolek gewandt hatte. Ohne freilich von Smolek eine Lösung des scheinbar unlösbaren Problems zu fordern. Der Mann hatte einfach reden wollen, über einen jüngeren Bruder, der trickreich das Familienerbe an sich zu reißen drohte. Eine dieser üblichen üblen Familiengeschichten, die dem Teufel mehr Freude bereiten als jeder politische Konflikt.
    Smolek, der ja bei aller Unauffälligkeit auch überraschen konnte, erklärte nun, daß in einem solchen »juristisch ungünstigen Fall« man die Regeln in Richtung auf eine »freie Handhabung« verschieben müßte.
    »Was meinen Sie, was ich tun soll?« zeigte sich der Hilfesuchende verwirrt.
    »Sie sollen gar nichts tun. Zumindest nicht viel mehr, als einen angemessenen Geldbetrag investieren, um das Problem für alle Zeit aus der Welt zu schaffen.«
    »Um Himmels willen, Herr Smolek …«
    »Den Himmel kümmert nicht, wie der Mensch sich aus einem Dilemma befreit. Die Welt wäre eine andere, wollte der Himmel, daß wir etwas Bestimmtes tun oder etwas Bestimmtes unterlassen.«
    »Das mag Ihre Meinung sein …«
    »Sie haben mich, denke ich, um einen Rat gebeten«, sagte Smolek. »Und es wäre unstatthaft, Ihnen einen zu geben, der sich zwar als korrekt, aber wenig effektiv herausstellt. Was soll ich Ihnen denn vorschlagen? In die Kirche gehen und beten? Einen weiteren inkompetenten Anwalt engagieren? Ihre Füße in kaltes Wasser tauchen? Mit dem Bauch atmen? Auch habe ich nicht gesagt, Sie sollen Ihren Bruder eigenhändig erwürgen, um für den Rest Ihres Lebens eingesperrt zu werden.«
    »Aber ich bitte Sie! Auch einem Anstifter droht Gefängnis.«
    »Wer stiftet hier wen an?« fragte Smolek. »Ich bin es doch. Es handelt sich um meine Idee.«
    »Ich wäre mein Lebtag an Ihre Verschwiegenheit gebunden«, stellte der irritierte Mann fest.
    »Manche Bindung geht man ein«, erklärte Smolek, »um nicht eine andere eingehen zu müssen. Es ist wie mit dem Heiraten. Wir heiraten jemanden, um nicht jemand anders zu heiraten. Wir handeln in einer Weise, um nicht in einer anderen zu handeln. Wir bestellen Gemüse, um nicht Fleisch zu bestellen. Gehen in die Fremde, um nicht in der Heimat zu bleiben. Alles was wir tun, bedeutet eine Verhinderung oder Unterdrückung von etwas anderem.«
    »Großer Gott, Smolek. Seit wann sind Sie Philosoph?«
    »Eine Unart«, meinte der Archivar, »die es eigentlich zu unterdrücken gilt. Aber wenn man schon mal so weit ist, über einen Mord zu sprechen …«
    »Wovon ich nichts mehr hören will.«
    Smolek nickte auf seine graue, steinerne Art und wandte sich ab. Aber der andere war natürlich so wenig konsequent wie die meisten, die eine große Sorge gepackt hat. Nach einer kurzen, einer sehr kurzen Pause, kam er hinterhergelaufen und fragte:
    »Wie genau, Herr Smolek, stellen Sie sich das eigentlich vor? Sie wären doch wohl kaum bereit, das selbst in die Hand zu nehmen.«
    »Wo denken Sie hin? Ich würde jemand engagieren.«
    »Wen?«
    »Das ist genau das, was Sie nicht zu interessieren braucht.«
    »Und worin bestünde Ihr eigener Nutzen?«
    »Kein Nutzen.«
    »Das ist nicht Ihr Ernst.«
    »Kein Nutzen im klassischen Sinn. Vor allem nichts, was zwischen uns beiden stehen würde. Kein Geld, keine Versprechungen, keine Schuld.«
    »Den … Killer … müßte man aber wohl bezahlen. Nur einmal angenommen.«
    »Das ist etwas anders«, erklärte Smolek, »einem Profi seine Arbeit abzugelten. Das gehört schließlich dazu! Bleibt aber folgenlos, womit ich meine, daß solche Leute sich niemals auf nachfolgende Erpressungen einlassen. Zumindest nicht, wenn sie einen guten Ruf zu gewinnen oder zu verlieren haben. Derartiges ist zu beachten: ein guter Arzt, ein guter Installateur, ein guter Killer.«
    »Sagen Sie nicht, Sie kennen einen guten Arzt. Das wäre dann ein kleines Wunder.«
    »Nein. Aber einen hervorragenden Installateur. Und von einem Wunder zu sprechen, wäre übertrieben. Man muß sich umsehen und zu vergleichen wissen.«
    Was Smolek bei alldem verschwieg, war der Umstand, über einen solchen Killer gar nicht zu verfügen. So überlegt und überlegen er sich auch gab, als spreche er von etwas längst Vertrautem, so bestand die Wahrheit darin, daß ihm jener ungewöhnliche Vorschlag gleichsam als Laune über die Lippen gekommen war. Wobei der Einfall an sich seine Geschichte besaß. Smolek hatte also nicht über etwas gesprochen, was ihm nicht schon mehrmals durch den Kopf
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