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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell
Autoren: Heinrich Steinfest
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gegangen war. Er stand in diesem Thema mit festen Beinen. Doch ein Killer, wie gesagt, fehlte. Andererseits hatte bislang auch der Anlaß gefehlt, einen solchen zu engagieren.
    Und dabei blieb es zunächst auch. Denn jener hilfesuchende Mann beendete unversehens die Unterhaltung und erklärte in einem übertrieben distanzierten, geradezu kindischen Ton, alles Gesagte aus seinem Gedächtnis verbannen zu wollen. Nie und nimmer hier gestanden und mit Smolek gesprochen zu haben.
    Der Ton aber überholte sich. Wie auch die Distanz. Wenige Tage später erschien derselbe Mann erneut bei Smolek, diesmal wütend und entschlossen.
    »Ihr Bruder treibt’s auf die Spitze, nicht wahr?« schätzte der Archivar.
    »Er kennt kein Pardon.«
    »Ja, diese Pardonlosigkeit ist es, die die Menschen in ihr Unglück stürzt. Sie wollen einfach nicht aufhören. Wenn es dann zu spät ist, können sie es kaum fassen.«
    »Sie werden es also übernehmen …?«
    »Ich halte mich an mein Angebot«, sagte Smolek.
    »Aber der Verdacht …«
    »Es wird keinen Verdacht geben, jedenfalls keinen, der Sie oder mich betrifft.«
    »Und die Frage der Bezahlung? Ich spreche von der Person, die dann …«
    »Ja, das ist ein wichtiger Punkt«, meinte Smolek mit gespielter Nachdenklichkeit, seine Brille wie ein zweites Gesicht hin und her schiebend. Er hatte sich das bereits gründlich überlegt und erläuterte nun, daß dieser Aspekt nicht nur in einem sicherheitstechnischen, sondern auch in einem sittlichen Sinn beantwortet werden müsse, da ja die Ermordung eines solchen Menschen auf dessen eigenes, asoziales Verhalten zurückzuführen sei. So könne man das sehen, so müsse man das sehen. Es sei somit nur folgerichtig, den zu Ermordenden die Ermordung selbst bezahlen zu lassen. Wenngleich dies leider ohne dessen Wissen geschehen müsse. Jedenfalls wäre es sinnvoll, etwas in der Art einer Schuldverschreibung zu konstruieren, die dann aus dem Nachlaß des Toten beglichen werden müsse.
    »Das ist nur fair«, betonte Smolek, »und hat den Vorteil, daß sich die Polizei kaum darum kümmern dürfte. Wer kommt schon auf die Idee, daß die Tilgung einer Schuld, die ein Toter hinterlassen hat, der Bezahlung seiner Ermordung dient. Somit, mein Guter, bleiben Sie in dieser Geschichte vollkommen unbehelligt. Und auch das ist nur fair.«
    »Klingt traumhaft. Aber wie wollen Sie …?«
    »Lassen Sie das meine Sache an. Denn wie man so sagt: Umso weniger Sie wissen, umso besser.«
    Nun, leicht war das natürlich wirklich nicht. Aber es stachelte Smoleks Intelligenz an, die so gering nicht war.
    Leider erwies es sich als nötig, eine Menge Leute zu involvieren, was grundsätzlich ein großes Risiko bedeutet. Ein Risiko, das sich aber vermindern läßt, wenn man diese Leute mit Bedacht auswählt, das Geflecht der Verbindungslinien gering hält und jeden Beteiligten vernünftig entlohnt. Darin bestand Smoleks oberstes Gebot, das eines adäquaten Honorars. Das Unglück der Welt, fand er, rühre zu großen Teilen daher, daß arbeitende Menschen nicht ordentlich bezahlt wurden. Nicht zuletzt im Bereich des Illegalen, wo jeder einen jeden zu betrügen versuche. Als bedürfe nicht gerade das Illegale einer strengen Disziplin und strengen Rechnung. Und einer hohen sittlichen Maxime. Denn wenn das Illegale ein Spiegelbild des Legalen war, dann war es auch mit jener Fragilität versehen, die ein verspiegeltes Glas nun mal mit sich bringt. Dennoch meinten die Leute, gerade im Bereich des Illegalen sich unverschämt, rücksichtslos und … nun, sie meinten sich kriminell aufführen zu müssen. Was für eine Dummheit!
    Anders Smolek. Und Smolek war es also, der die Position des Dirigenten übernahm und die Regeln vorgab.
    Ein Dirigent, der seine Musiker im Griff hatte. Etwa jenen Antiquitätenhändler, der knapp vor der Ermordung jenes »jüngeren Bruders« diesem eine Rechnung für eine nie erhaltene Orpheus-Tischuhr aus dem sechzehnten Jahrhundert, ein äußerst wertvolles Stück, zusandte. Eine Rechnung, über die zu wundern und gegen die Einspruch zu erheben das Opfer nicht mehr kam.
    Entscheidend war bei alldem natürlich die Ermordung selbst. Bei der Auswahl des Ausführenden verzichtete Smolek auf Personen aus der Unterwelt. Aus gutem Grund und eigenem Vorurteil. Er hielt diese Figuren für unverläßlich, nicht wirklich Fachleute, sondern Laien, die ihren Dilettantismus so oft wiederholten, bis sich daraus ein quasi professioneller Charakter ergab. Man kennt das ja aus der
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