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Ein bisschen schwanger

Ein bisschen schwanger

Titel: Ein bisschen schwanger
Autoren: K Dunker
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insgeheim vielleicht sogar loswerden wollte.
    Im Hinblick auf unsere sexuellen Wünsche waren Patrick und ich uns nämlich nicht wirklich einig. Er wollte so schnell wie möglich mit mir schlafen, ich war mir ab einem gewissen Moment nicht mehr sicher, ob ich mein erstes Mal ausgerechnet mit ihm erleben wollte.
    Die ersten Zweifel kamen mir am 22. Februar dieses Jahres. Es war Samstagmorgen, wir hatten seine Großeltern – bei denen er wohnte, weil er sich mit seinem Vater nicht verstand – gerade zum Bahnhof gebracht.
    Anschließend fuhren wir zu ihm.
    Wie immer parkte Patrick direkt vor dem Haus, obwohl es dort verboten war und die Parkplätze sich nur wenige Meter entfernt befanden. Er bezeichnete das als »Service für seine Liebste«. Ich denke: Er war schlicht zu faul, die zehn Meter zu laufen. Wie immer hatten wir die Fenster des Wagens geöffnet, die Musikanlage war an, gerade laut genug, um sich nicht mehr unterhalten zu können. Wie immer waberte aus irgendeinem geöffneten Küchenfenster der Dunst von gebratenem Schweinebauch.
    Nur eines war nicht wie immer: Sein Opa saß nicht wie sonst am Wohnzimmertisch und vertilgte seine tägliche Fleischportion, die Oma stand nicht in der Küche und studierte die Bild- Zeitung. Gegen die beiden war an sich nichts zu sagen, sie hatten Patrick ein Zimmer zur Verfügung gestellt, sie waren freundlich zu mir und schenkten mir sogar eine Kleinigkeit zu Weihnachten. Dass der Opa Pornofilme mochte, eine ziemliche Sammlung davon besaß, sie offen in einem Fach des Wohnzimmerschranks lagen und die Oma sie regelmäßig abstaubte, hatte ich bis dahin stillschweigend zur Kenntnis genommen. Jetzt waren wir zum ersten Mal ungestört, die Wohnung gehörte uns allein. Perfekt für Verliebte!
    An Patricks Fenster blinkten noch bunte Weihnachtslämpchen. Rot-gelb-grün, rot-gelb-grün, wie eine Verkehrsampel. Sie waren das einzig Farbige im Raum, mit Ausnahme der Kabel, Stecker und Platinen, die er für seine Computer-Bastelarbeiten brauchte.
    Wir lagen in seinem Bett. Die Wäsche war rein weiß wie in einem Krankenhaus. Das Wetter war trübe und regnerisch. Die Atmosphäre im Raum grau, grauer Himmel, graue Computer. Wir waren angezogen unter die Decke gekrochen. Meine Füße waren kalt, die Socken klamm, ich war draußen versehentlich in eine Pfütze getreten.
    Patrick war euphorisch. Er plante unser Wochenende. Ich sollte meine Eltern fragen, ob ich bei ihm übernachten dürfe. Ich würde am 8. Juni fünfzehn, wir waren neun Monate zusammen, da müssten sie’s wohl mal so langsam erlauben. Er wollte ein Fest mit mir feiern. Für uns beide kochen. Kerzen anzünden. Ganz viele. Die sollten die ganze Nacht brennen. Und die ganze Nacht sollten wir miteinander schlafen.
    Ich kannte inzwischen seine Ideen, er machte immer alles auf besondere Art und Weise, nichts einfach so. Seine Kreativität mochte ich, sie hatte mich immer wieder fasziniert. Aber jetzt bekam ich zum ersten Mal Angst vor ihm. Es war gar nicht unbedingt so, dass ich keine Zärtlichkeit von ihm wollte. Natürlich war es aufregend, seine Hand auf meiner engen Jeans zu spüren, ihrem Weg vom Knie über den Oberschenkel bis zwischen meine Beine zu folgen. Sie war heiß und zittrig und meine Haut vibrierte von ihr. Aber zum einen ging mir vieles einfach zu schnell, ich war noch ein richtiges Kind gewesen, als ich Patrick kennen lernte, und obwohl ich mich jetzt schon erwachsener und reifer fühlte, hatte ich ihm bis dahin noch nicht erlaubt, mich ganz auszuziehen.
    Zum anderen war es sein plötzlicher tiefer Ernst, seine dramatische Symbolik, seine ständige, beschwörende Wiederholung des in meinen Ohren grauenhaft klingenden Satzes »Alles muss perfekt sein, wenn ich dich entjungfere«. Mich überlief eine Gänsehaut nach der anderen, ich spürte, wie mein Herzschlag sich beschleunigte, wie ich unter der dicken, weißen Daunendecke Angst hatte zu ersticken, ich fuhr hastig auf, befreite mich von Decke und Patrick, schlüpfte in meine Turnschuhe und keuchte, ich müsse gehen.
    »Aber warum denn?« Er ergriff meinen Arm. »Was ist los? Wir haben doch gerade mal elf Uhr, wir … «
    »Ich will nach Hause!« Ich schüttelte ihn ab, öffnete die Zimmertür, stürzte in den engen Flur.
    »Linda, ich fahr dich jetzt nicht, wir haben abgemacht, dass wir erst am Nachmittag zu dir fahren!«
    »Dann geh ich eben zu Fuß.« Ich war schon an der Wohnungstür, öffnete sie. Im Hausflur roch es nach Putzmitteln, Werbung lag auf der
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