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Ein bisschen schwanger

Ein bisschen schwanger

Titel: Ein bisschen schwanger
Autoren: K Dunker
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Fisch.«
    Meine Freundinnen stiegen zusammen mit Torsten in eine Gondel, die der unseren gegenüberlag, und während Leute um uns herumliefen, laute Musik lief, Patrick redete, Tim und Till neben uns in ihrer Gondel herumalberten, versuchte ich vergeblich zu verstehen, was die Mädchen sagten. Melanie war ein Ass im Lästern. Sosehr ich sie mochte, so gerne ich mit ihr über meine Mitschüler redete, so lustig ich ihre oft fiesen Kommentare über andere Menschen fand, so sehr fürchtete ich auch, selbst mal zur Zielscheibe zu werden. Jetzt guckten sie beide herüber und genau in diesem Moment legte Patrick seine Hand auf meine.
    »Gefällt dir so was auch?«, fragte er.
    Ich erschrak. Erstens hatte ich ihm nicht zugehört, hatte keinen Schimmer, wovon er gesprochen hatte, zweitens grinste Sonja jetzt, während Melanie, die noch nie einen Freund gehabt hatte und darunter ziemlich litt, unwillig und eifersüchtig ihr Gesicht verzog, und drittens hob der Greifer uns mit einem Ruck hoch in die Luft. Der Haltebügel, der im Moment des Starts vor meinen Bauch schnellte, quetschte meinen Magen zusammen, ich schnappte nach Luft und kniff die Augen zusammen: zu spät. Es begann, als die Gondel in abgehackter Wellenbewegung wieder nach unten sackte, es war, als sei das Gefährt extra dafür konstruiert, den Magen in Brechkonvulsionen zu versetzen, bei jedem hoppeligen Stoß stieg mir die fade Kartoffelsuppe, die ich auf einem Autobahn-Rastplatz gegessen hatte, höher in den Hals, mit jedem über Lautsprecher hervorgebrüllten »Jetzt: ja! « des Karussell-Animateurs jagte der Pegelstand in meiner Speiseröhre nach oben, und als die Lautsprecherstimme röhrend verkündete: »Uuuuund festhalten! Jetzt geht’s richtig rund!«, schwappte mir die Suppe in den Mund.
    Verzweifelt presste ich die Zähne aufeinander, versuchte krampfhaft mir die Hand vor den Mund zu halten und gleichzeitig zu sehen, ob es vielleicht irgendwann einen Moment gab, in dem ich den Mund öffnen konnte, ohne Gondeln und Menschen unter mir zu treffen.
    Keine Chance. Der Greifer hatte seine vorläufige Reiseflug- höhe erreicht, er zog über dem Kirmesplatz in seinen schauderlich schwammigen Bewegungen Kreise, und durch die Tränen, die mir vor Anstrengung in die Augen traten, erschienen mir all die Wunder des Lebens: rosa Stoffschweine mit prallen, aufgenähten Brüsten, echte Mädchen, deren Speckrollen ungebremst aus der Nacktzone zwischen Hosenbund und Top herausquollen, torkelnde, rülpsende Männer, die sich mit der einen Hand an den Plastiktheken der Bierstände festhielten und mit der anderen nach den Speckrollen griffen, aufgeplatzte Bratwürste in bleichen Brötchen, schrumpelige Pilze in brauner Soße, drei Tage alte Kartoffelsuppe mit ranzigem Speck …
    Da war mir alles egal.
    Nachher war es mir nicht einmal peinlich. Selbst zum Schämen, Weglaufen, Verstecken hatte ich keine Kraft mehr.
    Und als Patrick mir mit seiner großen Hand über den zuckenden Hinterkopf streichelte und Melanie und Sonja losschickte, um eine Flasche Wasser zu besorgen, war ich ihm dankbar dafür.
    »Du Arme. Es tut mir Leid, dass es dir so schlecht geht. Soll ich dich nach Hause bringen? Ich hab doch deiner Mutter versprochen, auf dich aufzupassen.«
    »Geht schon wieder«, hustete ich heiser und setzte mich auf die Anhängerkupplung eines Wohnwagens.
    Tim und Till war das Ganze peinlich, sie standen etwas abseits von mir herum, warfen unsichere Blicke auf die vorbeigehenden Menschen und hofften wahrscheinlich, dass niemand sie erkennen und mit mir in Verbindung bringen würde. Torsten war losgegangen, um seine Freundin, mit der er sich verabredet hatte, zu holen.
    Patrick hockte sich vor mich, strich mir zärtlich übers Gesicht. »Du bist ganz blass. Ich kann dich nach Hause fahren, kein Thema. Es macht mir nichts aus, wenn ich das Feuerwerk verpasse, die anderen kann ich nachher noch abholen. Hm, was meinst du?«
    Ich nickte matt.
    Auf dem Rückweg schlief ich fast ein. Im Radio lief Kuschelmusik, Patrick summte, seine Hand berührte meine beim Schalten.
    »Danke«, flüsterte ich, als wir vor unserem Haus hielten. »Gern geschehen.« Patrick grinste. »Warte, ich bring dich noch zur Tür.«
    Er stützte mich, als wäre ich eine Schwerkranke. Seinen Arm hatte er noch um mich gelegt, als mein Vater öffnete.
    »Oh, schon wieder da?«
    »Die anderen wollten ja, dass sie noch zum Feuerwerk bleibt, aber ich dachte, Ihre Frau hat Recht: Linda gehört ins Bett.« Mein Vater
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