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Ein bisschen schwanger

Ein bisschen schwanger

Titel: Ein bisschen schwanger
Autoren: K Dunker
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nicht.«
    »Doch. Du hast nur Angst, dass uns jemand erwischt.« Patrick flüsterte in mein Ohr. »Wir waren so lange nicht mehr allein. Ich hab Sehnsucht nach dir. Die musst du doch auch haben.«
    »Du weißt, dass ich nicht die Pille nehme!«
    »Na und! Bleib locker! Passiert doch nichts!«
    Er tastete sich vor. Er war mein Freund, wir waren zusammen. Alle, die in meiner Klasse etwas auf sich hielten, hatten es schon getan. Melanie redete sich raus, indem sie behauptete, nur wegen ihrer schlimmen Akne keinen Freund zu bekommen und sonst aber schon lange, lange einen hätte; Sonja gab an, ihre Erfahrungen angeblich in verschiedenen Urlauben gemacht zu haben, und zeigte als Beweis schmalzige Liebesbriefe, die sie an ihre fernen Urlaubslieben schicken wollte.
    Ich war mit Patrick aus dem Schneider, aber im Verborgenen war und blieb ich einfach ein Spätzünder. Ich hatte einen Freund und ließ ihn gleichzeitig nicht an mich heran. Wenn Patrick frei hatte, wurde ich von ihm mit dem Auto von der Schule abgeholt und die Mitschüler bekamen Stielaugen, aber wenn er dann zu sich fahren wollte, weil die Großeltern mal wieder unterwegs waren, täuschte ich Hausaufgaben, Kaffeetrinken bei Oma oder eine Verabredung mit der Clique vor.
    Mir blieb der Atem weg. Patricks Streicheln, Patricks Nähe, Patricks Duft, Patricks Wärme, Patricks Wille waren anmachend, den Verstand ausschaltend, einen Sog entwickelnd, lähmend und aktivierend zugleich, ich wollte aufspringen und fliehen, aber dann doch nicht sofort; ich wollte mich von ihm trennen, ich hielt ihn gewissermaßen für verrückt, ja wirklich für krank, aber gleichzeitig kannte und mochte ich ihn, keine Frage eigentlich, ich blieb noch, noch ein bisschen und der Erdboden drehte sich, es roch nach nassem Gras, Patrick duftete nicht, er roch auch nach dem Gras, er flüsterte in mein Ohr, er nuschelte, ich verstand die Worte nicht, ich ließ mich gehen, es geschehen, es war Petting und es war okay, es musste so sein, alle taten es, und ich gehörte schon ein bisschen zu ihm. Ich blieb und er flüsterte immer heftiger seine Worte in mein Ohr und da verstand ich sie dann doch, riss mich los, sprang auf und zog mich hektisch an.
    Er blieb mit ausgebreiteten Armen auf der Decke liegen. »Du bist gemein«, sagte er matt, »du hörst immer auf, wenn’s spannend wird.«
    »Und du bist nicht ganz dicht!«
    Er lächelte selig. »Ich liebe dich, Linda. Ich will mein ganzes Leben mit dir verbringen. Wie kann ich da noch ganz dicht sein?«
    Sein Charme entwaffnete mich wieder. Ich widerstand dem Impuls, ihn anzuschreien, mich auf ihn zu stürzen, ihn zu prügeln – was ja eh wenig gebracht hätte, körperlich stark war ich nun überhaupt nicht –, ich widerstand sogar dem Wunsch, kopflos fortzulaufen, sondern riss mich zusammen, blieb cool und ging langsam zum Seeufer hinunter. Auf der anderen Seite sah ich Tim, Till und Melanie mit Einkaufstüten und einem Volleyball unterm Arm den Asphaltweg entlangkommen.
    Patricks Worte pochten in meinem Kopf, brannten sich ein.
    Mit ihnen erwachte eine ganz neue Angst. Bisher hatten wir immer nur harmlos herumgefummelt, mein vorgeschobenes Argument, ich nähme die Pille nicht, meine Mutter erlaube es noch nicht, hatte ihn stets zurückgehalten. Was, wenn das nicht mehr half? Zehn Kinder! Zehn Patricks! Da könnte ich mich ja gleich begraben lassen!
    Die anderen erreichten die Decke, riefen nach mir, warfen mir den Ball zu. Ich fing ihn auf und schob meine Sorgen beiseite. Ich sah alles immer zu schwarz. Es war ja auch schön, eine Clique zu haben. Es ging mir doch gut. Im Nu hatte Patricks und meine kleine Auseinandersetzung sich in der allgemeinen, geselligen Heiterkeit aufgelöst.
    Und Patrick glaubte, es ginge immer so weiter. Er wollte sich sogar mit mir verloben.
    Das war am 30. Mai dieses Jahres, unserem ersten Jahrestag.
    Am Morgen klingelte er auf einmal an unserer Wohnungstür und überfiel mich mit seinem Wunsch.
    »Ich weiß nicht, ob das so gut ist«, sagte ich schüchtern. Zu diesem Zeitpunkt hätte ich mir wohl schon lieber einen Strick genommen, als ihn zu heiraten, wollte es mir aber noch nicht eingestehen.
    »Lass uns einen kurzen Spaziergang im Park machen, bitte, ich habe eine schöne Überraschung für dich.«
    Ich lächelte schief. »Du und deine Überraschungen!« »Bitte, Mäuschen!«
    Ich weiß nicht, was Patrick überhaupt an mir fand. Ich war ein blasses Mädchen mit grotesker Zahnspange, ungeschickter Übergangsfrisur
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