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Ein anderes Leben

Ein anderes Leben

Titel: Ein anderes Leben
Autoren: P Enquist
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gewesen, sie verbrannt zu haben.
    War es so. Das alles. Er konnte fast nicht atmen.
    War es wirklich so.
    Sie hatte ihm den Toshiba in den Schoß gelegt, als wäre es ein Hundewelpe, und die andere Frau, Sanne, setzte sich auf den Fußboden und zog ihm die Schuhe an.
    Man hofft ja immer auf ein Wunder. Wenn man nicht hofft, ist man wohl kein Mensch. Und eine Art Mensch ist man wohl trotz allem.
    Ist es jetzt soweit? Nein, noch nicht.

Erster Teil
UNSCHULD

Kapitel 1
DER ZEICHENDEUTER
    Die Zeichen sehr unklar.
    Jemand im Dorf erzählt dem Kind, beinahe flüsternd, von dem Traum, den Hugo Hedman im Winter 1935 gehabt hatte. In dem Traum fielen drei große Bäume, es waren Kiefern. Aber nicht bei einer Abholzung. Im selben Winter starben drei Männer im Dorf. Der Traum war ein Zeichen. De Elof galt als einer von denen, deren Tod durch das Fallen der Kiefern prophezeit worden war. Das Kind versteht später, dass de Elof keine »Kiefer« war, sondern »der Vater«, aber alles ist unklar.
    Andere Zeichen: Seine Mutter ist schwanger, trägt den eingeborenen Sohn. Zur gleichen Zeit: Einer seiner Onkel väterlicherseits wird sehr jung als »geisteskrank« bezeichnet und für einige Zeit isoliert, wie üblich eingeschlossen in der kleinen Kammer. Da darf er von der Mutter nicht besucht werden, weil sie schwanger ist, übrigens mit dem Kind selbst, und geheime Strahlung von dem Geisteskranken (» de is verrückt «) kann dem Ungeborenen im Mutterleib schaden. Einige Jahre später (vielleicht im September 1939) fragt er, ob dies nicht trotz allem der Fall war, das wird verneint, die Strahlung des Geisteskranken hat ihm nicht geschadet. Falls doch, wird es sich später zeigen, ist aber nicht wahrscheinlich . »Geisteskrankheit« ist, erfährt er, eine Art Rastlosigkeit.
    So vergehen die Jahre.
    Plötzlich fällt ihm auf, dass die Mutter nie mehr schluchzt.
    Er weiß nicht, was passiert ist, aber es hat aufgehört.
    Zuerst schließt er daraus, dass sie froher geworden ist und ihre Einsamkeit als Witwe nicht mehr betrauert. Dann ahnt er, dass es nur ausgetrocknet ist. Sie hat anscheinend etwas eingesehen, und da ist es ausgetrocknet. Sie geht in ihrer Arbeit auf. Das ist die Schule, und die Freizeitarbeit für Christus. Ersteres ist Plackerei. Der Freizeitjob für Christus erfüllt sie indessen, meint sie, mit Licht.
    O du mein Licht.
    Das ist der Standpunkt, den sie einnimmt. Das Kind ist voller Bewunderung.
    Die Entfernung zwischen dem grünen Haus, in dem sie wohnen, und dem Schulgebäude beträgt fünf Kilometer. Keine Tränen mehr. Als hätte sie aufgegeben, und sich gefügt.
    Im Winter, wenn der Waldweg nicht ständig geräumt werden kann, fahren sie Ski. Die Mutter spurt, er folgt ihr. Das ist das Natürliche. Sie ist ja Volksschullehrerin. Die Schule eine B-2:a. Zuerst vom grünen Haus abwärts einen leichten Hang hinunter, dann über den Bach, danach eine sehr lange, dem Wind ausgesetzte Strecke über die Wiesen bei Hugo Renströms Hof und schließlich durch den Wald. Die Schule soll zwei Dörfer versorgen und liegt deshalb genau zwischen ihnen, was heißt, mitten im Wald; so haben es alle gleich weit, vielleicht zu weit, aber anderseits kann sich keiner beklagen. Es ist ja gerecht, aber im Winter bei Gegenwind auf der flachen Strecke vor dem Wald ziemlich unangenehm.
    Sie hat wirklich keinen Grund, sich über ihr Leben zu beklagen.
    Sie schreibt nicht mehr Tagebuch.
    Als er nach ihrem Tod im Herbst 1992 aufräumt, findet er etwas, das Tagebüchern gleicht, aus den ersten Jahren nach dem Lehrerinnenseminar. Einige sonderbare Aufzeichnungen im Jahreskalender deuten an, dass sie vor der Heirat zwar ein von frommem Glauben erfülltes, aber ehrlich gesagt dennoch ziemlich lustiges Leben geführt hat. »Fest in Gamla Fahlmark« oder »Fest in Långviken«. Die Bekenntnisse über Feste hören mit der Verlobung auf, die Datierung ist unklar.
    Mehrfach betont sie dem Sohn gegenüber ihre Zufriedenheit, und dass der Kuchen des Staates klein, aber sicher sei. Doch sie wütet gegen den Frauenlohn, der niedriger ist als der ihres männlichen Kollegen (gleicher Lohn wird 1937 eingeführt, aber sie ist nachtragend), und sie hebt hervor, wie wichtig es ist, dass jede Frau sich um einen Beruf bemüht, weil die Gefahr besteht, dass sie eines Tages Witwe wird.
    Die Vorstellung von Scheidung existiert für sie nicht.
    Ihre politische Heimat ist zweifellos die Folkparti.
    Sie bewundert den Parteiführer Bertil Ohlin, der Professor ist,
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