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Edvard - Mein Leben, meine Geheimnisse

Edvard - Mein Leben, meine Geheimnisse

Titel: Edvard - Mein Leben, meine Geheimnisse
Autoren: Zoë Beck
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wegen Städter auf dem Bauernhof, und man wüsste ja, wie das immer ausginge.«
    »Die haben das nicht so gemeint«, sagt Mama und brettert über eine rote Ampel.
    »Ich habe ihnen gesagt, ich würde sie auch gerne mal beim Heumachen sehen, ob sie sich besser anstellen als ich.«
    »Na, da hast du‘s ihnen aber gegeben«, sagt Mama und reißt das Steuer rum, um auf die Autobahnauffahrt zu kommen. Hinter uns hupt jemand.
    »Nicht wirklich. Eine der Schwestern ist auf einem Bauernhof groß geworden, und der Arzt hat sich mit solchen Arbeiten sein Studium finanziert.«
    »Aber das kann man ja nun nicht von jedem verlangen«,sagt Mama, gibt Gas und überholt einen Lkw rechts, um sich auf die Autobahn zu drängeln. Der Lkw hupt.
    »Wie lange fahren wir bis nach Hause?«, frage ich.
    »Am frühen Abend sind wir da«, sagt Mama.
    »Nächste Woche kommen die Fäden raus«, sagt Papa. »Aber ich gehe natürlich gleich morgen als Erstes zu unserem Hausarzt, damit der sich das mal ansieht.«
    »Kannst du langsamer fahren, mir wird sonst schlecht«, sage ich.
    »Jetzt sind wir auf der Autobahn, da geht’s doch nur geradeaus«, sagt Mama und zieht auf die linke Spur, um an einem Mercedes Coupé vorbeizurauschen.
    »Ich mach mal das Fenster auf, das hilft«, sagt Papa.
    Der Mercedesfahrer will sich nicht überholen lassen und fährt mit uns gleichauf, aber wie üblich gewinnt Mama dann doch irgendwann.
    »Muss ich Montag wirklich zur Schule?«, frage ich. »Ich könnte eigentlich noch gut eine Woche oder so Erholung brauchen.«
    »Klar gehst du Montag zur Schule«, sagt Mama und bremst, weil vor ihr ein Lkw rüberzieht. Sie klatscht die flache Hand auf die Hupe. »Du wirst sehen, in der großen Pause hast du dich längst eingewöhnt und freust dich, alle deine Freunde zu treffen.«
    Papa sagt: »Ich meine, wenn der Arzt sich sein Studium mit Arbeiten auf dem Bauernhof finanzieren musste, wer weiß, ob er nicht in Wirklichkeit Tiermediziner ist.«
    »David, manchmal bist du wirklich ein bisschen arrogant«, sagt Mama.
    »Das hat nichts mit Arroganz zu tun. Das ist nur eine realistische Einschätzung der Sachlage«, sagt Papa.
    »Ich glaub, ich muss kotzen«, sage ich.
    »Unsinn«, sagt Mama und hupt den Lkw weg.
    »Doch«, sage ich.
    »Selbst wenn er Tierarzt wäre, wüsste er sicher, wie man eine harmlose Fleischwunde zusammenflickt«, sagt Mama.
    »Harmlos?«, ruft Papa. » Harmlos nennst du das? Ich hätte sterben können!«
    »Ich muss wirklich kotzen«, sage ich.
    »Siehst du, jetzt ist Edvard von deinem Gerede schlecht geworden«, sagt Mama und reißt den Wagen über zwei Spuren rüber zum Standstreifen. Hinter uns hupt jemand. Dann legt sie eine Vollbremsung hin. Ich reiße die Tür auf und kotze auf den Randstreifen.
    Es passiert, was immer passiert, wenn ich irgendwo den Randstreifen vollkotze: Der gesamte Autobahnverkehr verlangsamt sich auf Zeitlupentempo, weil alle gaffen wollen.
    »Gibt es eigentlich irgendwo in diesem Land einen Randstreifen, den der Junge noch nicht eingeweiht hat?«, höre ich Papa.
    »Wir waren noch nie im Saarland«, sagt Mama und wirft mir eine orangefarbene Sicherheitsweste zu.
    Ich ziehe sie mühsam über, mein Magen hebt sich wieder, und ich kotze den ganzen schönen Schinken von Frau Rauchfleisch zwischen die Bierdosen, Zigarettenschachteln und Müsliriegelpapierchen auf dem Randstreifen.
    »Ach, sieh mal, sind das nicht die Wegerichs?«, sagt Papa und zeigt in den vorbeikriechenden Verkehr.
    Henk heißt Wegerich mit Nachnamen. Das kann nicht wahr sein. Wir sind irgendwo auf irgendeiner Autobahn weit weg von zu Hause, ich kotze mir die Seele aus dem Leib, und ausgerechnet Henk kommt mit seinen Eltern vorbeigefahren. Hoffentlich erkennen sie uns nicht.
    »Hup doch mal«, sagt Papa.
    Mama hupt.
    Die Wegerichs hupen zurück.
    Ich sehe noch, wie Henk mir vom Rücksitz aus den Mittelfinger zeigt und lacht.
    Kalifornien kann ich jetzt schon mal vergessen.

Donnerstag, 25.8., 20:11 Uhr
    Komme in mein Zimmer und sehe auf der Bettdecke zwei Magazine: ein Playboy und eine Schwulenzeitschrift. Neben dem Bett steht eine Schachtel Kleenextücher.
    Mama! Echt jetzt.

Donnerstag, 25.8., 23:34 Uhr
    Ich habe gerade Jason umgebracht.
    Gestern Abend schrieb ich (als Jason) auf Facebook was von einer schweren Lebensmittelvergiftung nach dem Besuch eines Fischrestaurants. Constanze schrieb daraufhin vierundsiebzig Nachrichten mit Gute-Besserungs-Wünschen. Heute postete ich als sein älterer Bruder James, dass
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