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Eden

Titel: Eden
Autoren: Tony Mochinski
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laufenden Feuerwehrmann, dem an uns vorbeistolpernden blutüberströmten Mann? Ich vermute, in der Wirklichkeit würden wir das nie erfahren, und wahrscheinlich beabsichtigt Tommy hier genau diesen Effekt. Natürlich ist Wissen kein Allheilmittel gegen den Schmerz, aber es hilft doch, indem es uns ein Gefühl gibt, dass etwas abgeschlossen ist, einen Punkt, den wir hinter uns lassen können. In diesem Zusammenhang finde ich es besonders ironisch, dass es hier und heute nicht den geringsten Hinweis darauf gibt, was aus Tommy Arlin geworden ist.
     
    Als ich Tommy Arlin das letzte Mal begegnete, gab er mir das Manuskript dieses Buches und überließ es mir, ob ich versuchen wollte, es bei einem Verlag unterzubringen, oder es wegwarf. Er war dabei, seinen Trinkrucksack zu füllen und erklärte, er wolle weiter durch die Welt wandern, wie es schon Jules in Pulp Fiction gesagt hatte, und vor ihm Kwai Chang Kane in Kung Fu . Seitdem habe ich außer Gerüchten nichts mehr von Arlin gehört. Er soll seinen Namen geändert haben und als Ghostwriter eine Autobiografie für den Pornostar Rocket Jackson schreiben. Er soll eine Gruppe Sänger, Dichter und Performancekünstler zusammengebracht haben, mit denen er unter dem Namen New Tribe Collective durchs Land zieht und in Cafés und bei Studentenverbindungen auftritt. Er soll bei einer Söldnertruppe gelandet sein, die in Pakistan Jagd auf Osama bin Laden macht. Na ja, der letzte Brief, den ich von ihm bekam, war in Peshawar abgestempelt. Das war vor drei Jahren.
    Warum hat Arlin mir sein Buch anvertraut? Vermutlich aus zwei Gründen. Zum einen wusste Tommy, dass ich Zombies und Zombiefilme fast so sehr liebe wie er. Wir haben uns beide den Kopf zerbrochen, wann endlich ein großer Verlag einen bedeutenden Zombieroman herausbringen würde. Glauben Sie mir, wenn ich Ihnen jetzt sage, dass mehr als zwei Dutzend Verlage diesen Roman mit einem banalen Formschreiben abgelehnt haben, ist das keine Übertreibung.
    Außerdem wusste Tommy, dass ich schon Texte veröffentlicht hatte, in Magazinen und akademischen Journalen, und fand das gehörig cool. Er hoffte, ich hätte dadurch Verbindungen, die helfen konnten. Andererseits, auch wenn ich schon ein paar Sachbücher veröffentlicht habe und gerade an einem weiteren arbeite, verstauben meine eigenen Romane bis heute in einem Aktenschrank im Keller. Möglicherweise war Tommys Vertrauen in mich ein Fehler. Aber ich war nicht bereit, dieses Buch sterben zu lassen. Nicht einmal, wenn ich es auf eigene Kosten verlegen musste, ohne eine Ahnung, wie es in die Buchläden kommen sollte. Ich stellte also Nachforschungen an, fand Permuted Press, und das war’s dann erst einmal.
    Der Titel Dead World war nicht mehr frei, also entschied ich mich, es einfach Eden zu nennen. Ich weiß, dass Tommy nichts dagegen gehabt hätte. Außerdem finde ich es eine passende Ironie, dass ein Agnostiker wie Arlin die fiktive letzte Zuflucht der Menschheit nach dem biblischen Epizentrum ihrer ewigen Verdammnis benannt hat. Was spricht dagegen, den Ort plakativ als Titel zu benutzen? Ich schätze, falls er noch lebt, versucht er irgendwo in der Welt, die Revolution auszulösen, von der immer geträumt und geredet hat. In diesem Fall werden wir uns wohl irgendwann wieder über den Weg laufen. Und dann werden wir über Zombies reden.
     
    Tony Monchinski
Peekskill, New York
2008

1
     
    Der Biss riss ihn aus dem Schlaf.
    »Verdammte Scheiße!«
    Harris schoss nackt aus dem Bett. Julie neben ihm erwachte verwirrt und setzte sich müde blinzelnd auf. Das verwesende untote Etwas war in ihr Schlafzimmer eingedrungen und hatte ihn im Schlaf attackiert. Er warf sich auf das Wesen, flog mit ihm quer durch das Zimmer und rammte es mit voller Wucht gegen die Trockenmauer. Durch den Aufprall brach etwas im Innern der Kreatur hörbar, während sie weiter mit den Zähnen knirschte und nach lebendem Fleisch gierte. Gesplitterte schwarze Fingernägel rissen an Harris.
    Er spürte es kaum. Seine Sinne waren überlastet von all den Eindrücken, die gleichzeitig auf ihn einstürmten: dem tiefen, unmenschlichen Stöhnen; dem Gestank fleckigen, fauligen Fleisches; den schwerfälligen Gestalten, die durch ihr Schlafzimmer schlurften. Harris’ letzte Nacht auf Erden war endgültig vorbei.
    Die ersten Strahlen der noch unter dem Horizont stehenden Sonne drangen durch die Jalousien. Der übelkeitserregende Gestank nach verwestem Fleisch war allgegenwärtig. Ehemals menschliche Wesen, jetzt
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