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Eden

Titel: Eden
Autoren: Tony Mochinski
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applaudierte, ohne den Gestank von Dirtbag Browns Pissepfütze noch zu beachten, hatte sich wieder ein Gefühl der Ruhe und Geborgenheit breitgemacht.
    »Ich würde gerne mal mit dir über Stanislaus Kaerevsky plaudern.« Arlin kam zu mir an die Theke, wo ich gerade versuchte, mir genug Mut anzutrinken, um eine heiße Gruftibraut und ihre Freundin anzusprechen. In Clubs und Kneipen Frauen aufzureißen, war noch nie mein Ding. Ich habe die meisten Chancen, wenn sie vorher Gelegenheit hatten, mich kennenzulernen, bei der Arbeit zum Beispiel oder im Seminarraum. Arlin konnte überall Frauen aufgabeln, wie ich schnell herausfand. Er war ein absoluter Frauenheld, und trotz Gedichten mit Titeln wie Die Muschi strahlte er dabei absolut nichts Gemeines oder Frauenverachtendes aus. Es machte ihm einfach Spaß, mit Frauen zu schlafen, genau wie mir auch. Arlin hatte nur viel mehr Gelegenheit dazu. Möglicherweise hat sich das mittlerweile geändert, denn es ist durchaus wahrscheinlich, dass er inzwischen den Tod gefunden hat. Was einer der Gründe für diese Einleitung ist.
    Jedenfalls lernte ich Tommy Arlin in jener Nacht kennen und war augenblicklich fasziniert. Sein Foto gehört als Illustration neben dem Begriff Charisma in Lexika abgedruckt. Ich bemerkte aber auch sofort, dass Arlin nicht wirklich so toll war, wie er glauben machte oder machen wollte.
    Der Abend endete mit Arlin, mir und zwei Frauen in dem extrabreiten Trailer, den ich mir damals mit einem Kumpel teilte. Auf dem Boden lagen leere Bierdosen und eine Wodkaflasche, und die Mädels lagen über unseren Knien, während wir ihnen abwechselnd mit einem blauen Gummiwal, den die Freundin meines Mitbewohners auf einem Jahrmarkt gewonnen hatte, den Hintern versohlten. Arlin hatte etwas in der Art in Howard Sterns Fernsehsendung gesehen und wollte es unbedingt mal ausprobieren. Er fand es auch unbeschreiblich toll, dass mein Kumpel und ich eine Discokugel an der Wohnzimmerdecke hängen hatten, aber das tut genau genommen überhaupt nichts zur Sache.
    Wie auch immer, ich merkte, dass Tommy Arlins fröhliche Verarsche möglicherweise tatsächlich genau das war, als die beiden Mädels mich am nächsten Morgen aufweckten und die Bezahlung verlangten, die er ihnen angeblich versprochen hatte. Ich hatte keinen blassen Schimmer, wovon sie redeten. Arlin verschwand dann mit einer der beiden nach hinten ins Schlafzimmer meines Kumpels, während die andere, plötzlich sehr unfreundlich, um nicht zu sagen feindselig, auf der Couch unter der Diskokugel saß und abwechselnd mich und den Teppich mit Blicken durchbohrte. Was genau dort hinten passierte, weiß ich nicht, aber Arlin muss die Sache geregelt haben, denn als die beiden wieder auftauchten, schnappte seine Begleiterin sich ihre protestierende Freundin und zerrte sie offensichtlich zufrieden davon, ohne noch ein Wort über Knete zu verlieren. (Mein Mitbewohner war glücklicherweise übers Wochenende verreist.)
    Arlin erwähnte die Frauen mit keinem Wort mehr, sondern ließ einen Monolog über unterschätzte Bewohner der Sesamstraße ab, während er die leeren Dosen auf dem Boden in einen schwarzen Plastiksack einsammelte. Er bat mich, ihn in der Nähe der Uni abzusetzen, und ich war einverstanden. Als wir in der Hillsborough Street Dirtbag Brown mit seinem geklauten Einkaufswagen sahen, war das ein ziemlicher Schock für mich, aber kein annähernd so großer wie der, als Arlin sich verabschiedete, aus dem noch fahrenden Wagen sprang, zu dem Kerl hinüberrannte, und sie einander mit High Fives begrüßten wie alte Freunde.
    Das Letzte, was ich an dem Tag von Arlin in meinem Rückspiegel sah, war, wie er nonchalant neben Dirtbag Brown spazierte, den schwarzen Müllsack mit den leeren Bierdosen über der Schulter.
    Über Zombies hatten wir nicht ein Wort gewechselt.
     
    Das zweite Mal begegnete ich Tommy Arlin in der Karibik während seiner Gigolo-Phase. Ich arbeitete als Freiwilliger für das Peace Corps auf der Dritte-Welt-Seite der Inselnation St. Vincent und lebte in einer Wohnung ohne Klimaanlage und Warmwasser, die ich mit haarigen Spinnen von der Größe meines Handtellers teilte, während auf den weißen Sandstränden der Grenadinen, zu denen St. Vincent gehört, wohlhabende Frischvermählte ihre Flitterwochen genossen. Das war, bevor sie dort die Fluch-der-Karibik -Filme drehten.
    Ich war allein auf Wandertour durch den Regenwald auf dem Soufrière, dem ruhenden Vulkan der Insel. Ich war einer von vierzehn
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