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Edelweißpiraten

Edelweißpiraten

Titel: Edelweißpiraten
Autoren: Dirk Reinhardt
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konnten wir mit denen noch immer nicht, aber es war in Ordnung. Sie waren zufrieden. Sogar Flint.
    »Wenn ihr jetzt ’n halbes Jahr nicht mehr zum Friseur geht«, hat er gesagt, »’n paar ordentliche Lieder lernt und ’n paar Beulen von der HJ abkriegt, können fast noch vernünftige Menschen aus euch werden.« Sollte wohl so was wie der Ritterschlag sein.
    Wir haben gewartet, bis alle da waren, dann sind wir los. Erst mit der Rheinuferbahn nach Bonn, dann mit der Straßenbahn bis Oberkassel. Von da ging’s zu Fuß weiter. Ins Siebengebirge. Tom und ich sind vorher nie da gewesen, aber die anderen schienen jeden Stein zu kennen. Es ist steil nach oben gegangen, bis wir ’n Blick über ganz Bonn und den Rhein hatten. Dann sind wir an
einen See gekommen, den die anderen »Felsensee« nannten. Er hat tief unter uns gelegen, an allen Seiten hohe Felswände. Aber es gab ’n Pfad, über den wir runterklettern konnten, zu der einzigen Stelle, wo das Ufer flacher ist.
    Als wir da angekommen sind, haben Tom und ich unseren Augen nicht getraut. Vor uns lag der See, ganz blau zwischen den Felsen. Und überall am Ufer waren Leute, Dutzende von Leuten. Leute wie Flint und die anderen. Leute wie wir?
    Sie hatten uns kaum gesehen, da wurden wir schon stürmisch begrüßt. Das heißt, vor allem Flint und Kralle und der Lange. Die scheinen viel zu gelten da. Tom und ich, wir haben eher spöttische Blicke kassiert. Wir haben immer noch diesen HJ-Haarschnitt, und es hat ’n paar komische Bemerkungen gegeben. Aber da waren sie bei Flint an den Falschen geraten. Der macht sich zwar auch gern über uns lustig, aber das heißt noch lange nicht, dass andere das genauso dürfen. Jedenfalls ist er gleich zu einem von denen hin und hat ihn am Kragen gepackt.
    »Worüber lachst du so dämlich?«, hat er zu ihm gesagt. »Die gehören zu uns, klar? Wenn du was an ihnen auszusetzen hast, komm zu Kralle und mir.«
    Das hat gereicht. Mit den beiden wollte sich keiner anlegen. Von da an haben sie uns in Ruhe gelassen.
    Es war ein heißer Tag, viele waren schon im Wasser. Wir waren ins Schwitzen gekommen auf dem Weg da hoch, deshalb haben sich auch Flint und Kralle ausgezogen und sind reingesprungen. Dann haben sie uns gewunken, wir sollen nachkommen.
    Wir haben uns umgesehen. Wir hatten keine Badehosen dabei. Und unter den Leuten am Ufer waren auch ein paar Mädchen, die haben schon ganz neugierig zu uns hingesehen.
    »Hey, Flint, du Arsch!«, hat Tom gerufen. »Du hast uns nicht gesagt, dass wir Badehosen mitnehmen sollen!«
    »Na und?«, hat Flint zurückgebrüllt. »Bin ich eure Mutter?
Passt selbst auf euch auf! Und jetzt kommt rein! Gehört mit zu eurer Bewährungsprobe.«
    Wir haben nicht gewusst, was wir tun sollen. Die Mädchen haben angefangen zu kichern. Da ist einer aus unserer Gruppe zu uns gekommen und hat uns geholfen. Es war der, den die anderen »Goethe« nennen.
    »Macht’s wie ich, meine Freunde«, hat er gesagt und uns angegrinst. »Bedeckt euer edles Gemächt mit den Händen!«
    Das hat er denn auch getan und ist ins Wasser gestakst. Tom und ich, wir haben tief Luft geholt, uns ausgezogen und es ihm nachgemacht. Wir waren verdammt froh, als wir drin waren. Dann haben wir gesehen, dass ein Stück weiter auch ein paar Mädchen im Wasser waren, die hatten genauso wenig an wie wir. Wir haben Stielaugen gekriegt.
    Flint hat’s bemerkt und ist zu uns gekommen. »An den Anblick gewöhnt ihr euch noch«, hat er gesagt. »Oder auch nicht. Aber egal! Los, Kralle, wir haben was zu erledigen.«
    Er und Kralle sind über uns hergefallen. Für die nächste Viertelstunde hatten wir genug damit zu tun, uns gegen die beiden zu wehren und wenigstens ab und zu mal nach oben zu kommen und Luft zu schnappen. Aber wir sind früher oft im Neptunbad gewesen. Deshalb haben wir uns ganz gut geschlagen, glaub ich.
    »Nicht schlecht, Leute«, hat Flint gesagt, als wir wieder draußen waren und uns abgetrocknet haben. »Hoffentlich seid ihr später auch so harte Knochen. Wenn’s drauf ankommt!«
    Währenddessen sind immer neue Gruppen eingetroffen. Viele aus Köln, aus anderen Stadtteilen. Auch aus Düsseldorf und Wuppertal sind welche dabei gewesen, sogar aus Essen und Dortmund. Aber egal, woher sie kamen, es war bei allen sofort zu sehen, dass sie dazugehören. An den Klamotten und den Haaren, die sie länger tragen, als wir’s von der HJ kennen. »Nach Art des freien Mannes«, wie Goethe sagt.
    Später haben wir ein Lagerfeuer gemacht,
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