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Edelweißpiraten

Edelweißpiraten

Titel: Edelweißpiraten
Autoren: Dirk Reinhardt
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Freund. Er hatte mich ja gewarnt, ich soll bloß nicht wieder bei ihm erscheinen, und hat mir erst mal links
und rechts eine gescheuert. Dann hat er gesagt, beim nächsten Mal werfen sie mich raus.
    Aber die anderen Arbeiter meinten, ich soll mir deswegen keinen Kopf machen. »Tun sie sowieso nicht«, hat einer von ihnen gesagt. »Schlimmstenfalls prügeln sie dich ordentlich durch und scheren dir den Kopf kahl.« Hat sich echt beruhigend angehört! Ich glaub, ich muss mich in Zukunft mal ’n bisschen zusammenreißen.
    Heute Abend sind Tom und ich wieder am Neptunbad gewesen und haben die anderen getroffen. Flint hat gesagt, ihre Erkundigungen hätten nichts Schlimmes ergeben. Anscheinend wären wir alles in allem ganz in Ordnung. Auch die Geschichte von der HJ, die wir erzählt hatten, würd stimmen. Kurz, sie hätten noch mal drüber gesprochen und wollten uns aufnehmen.
    »Moment, Moment!«, hat er aber gesagt, als wir aufgesprungen sind. »Erst müsst ihr noch eure Bewährungsprobe bestehen.«
    »Was für ’ne Bewährungsprobe?«, haben wir gefragt.
    »Och, nichts Großes. Ihr kommt mit auf unsere Pfingstfahrt.«
    »Und wohin?«
    »Erfahrt ihr früh genug. Jedenfalls kommt ihr mit. Und wenn ihr euch vernünftig anstellt«, er hat die anderen angesehen, und die haben sich weggedreht und gegrinst, »dann gehört ihr dazu. Einverstanden?«
    Natürlich waren wir das. Wir würden zur Not auch zwanzig Pfingstfahrten mitmachen – was immer das sein soll.
    »Na, bestens«, hat Flint gesagt. »Dann nur noch eins: In den Klamotten da nehmen wir euch nicht mit. Da muss schon was anderes an den Start, das ’n bisschen was hermacht, klar?«
    Wir haben erst uns angesehen und dann ihn und die anderen. War nicht schwer zu erkennen, was er meint. Wir sehen aus wie brave HJler, die nur grade mal ihre Uniform ausgezogen haben. Er und die anderen dagegen sind echt schräge Vögel, mit karierten
Hemden und bunten Halstüchern, Lederjacken und Gürteln mit riesigen Schnallen. Einige haben Riemen an den Handgelenken und witzige Hüte auf dem Kopf. Wir haben uns fast ein bisschen geschämt dafür, wie wir aussehen.
    Als wir vom Neptunbad nach Hause gegangen sind, haben wir überlegt, wie wir auch an solche Klamotten kommen. Und was mit der Bewährungsprobe gemeint ist. Aber egal: Wir werden’s schon schaffen. Wir sind einfach nur froh, dass sie uns haben wollen.

27. Mai 1941
    Flint hat Tom und mich gewarnt. Wir sollen nichts aufschreiben, was uns oder die anderen verraten kann. Keine Namen. Keine Orte. Nichts von unseren Treffpunkten und den Sachen, die wir tun. Er sagt, wenn die Nazis unsere Wohnungen durchsuchen, dürfen sie nichts finden, womit sie uns festnageln können.
    Ich hab mit Tom drüber geredet. Eigentlich finden wir’s übertrieben. Warum sollen die unsere Wohnungen durchsuchen? Wir sind doch harmlos. Wir wollen nur ’n bisschen unsere Freiheit haben. In Ruhe gelassen werden. In den paar Stunden, die neben der Arbeit bleiben, nicht auch noch in der HJ Dienst schieben. Das ist alles. Wir tun keinem was.
    Und außerdem: So viel ist passiert in letzter Zeit, ich
muss
es einfach aufschreiben! Es scheint ewig her zu sein, dass ich Schüler und Junggenosse war. Dabei sind’s erst ein paar Wochen. Alles geht so schnell. Alles fliegt vorbei, und manchmal hab ich Angst, dass ich’s gar nicht mitkriege. Dass ich’s vergesse. Und dass es vergessen bleibt, wenn ich’s nicht irgendwo aufschreibe.
    Ich will, dass was zurückbleibt. Das war schon früher so. Da hab ich’s immer auf lose Blätter geschrieben, weil ich nichts anderes
hatte. Aber die sind alle verloren gegangen. Deshalb hat meine Mutter mir das Buch hier geschenkt. Am 6. März, als ich 14 geworden bin. Da kann ich alles reinschreiben. Und das mach ich auch. Flint muss es ja nicht wissen.
    Klar bin ich vorsichtig. Hab schon ein Versteck für das Buch. Ein sicheres Versteck. Selbst wenn Flint recht hat und sie kommen und durchsuchen die Wohnung und stellen alles auf den Kopf: Da finden sie’s nicht.
    Keiner wird es finden. Niemals.

2. Juni 1941
    Letzte Woche haben Tom und ich uns auf die Suche nach neuen Klamotten gemacht. Unser ganzer Lehrlingslohn ist dafür draufgegangen. Und gestern war’s dann endlich so weit: Pfingstsonntag! Ganz früh hatten wir uns mit den anderen am Bahnhof verabredet. Wir waren total aufgeregt, weil wir wissen wollten, was sie von unserem neuen Zeug halten.
    Natürlich gab’s spöttische Bemerkungen, und so richtig mithalten
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