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Edelweißpiraten

Edelweißpiraten

Titel: Edelweißpiraten
Autoren: Dirk Reinhardt
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wieder auf Walz ohne Gestapo auf’m Hals. Wo wieder Lieder klingen, die wir heut nur im geheimen singen.« Im Text hieß es: »Deutsche Jugend, erhebe dich zum Kampf für die Freiheit und Rechte eurer Kinder und Kindeskinder. Denn wenn Hitler den Krieg gewinnt, ist Europa ein Chaos, die Welt wird geknechtet sein bis zum jüngsten Tage. Bereitet der Knechtschaft ein Ende, ehe es zu spät ist. Herr mach uns frei!« Kann irgendein Zweifel bestehen, dass es sich hier um politischen Widerstand handelt?
    Rusinek bemängelt in seinem Gutachten, derartige Aktionen seien nicht von den Jugendlichen selbst ausgegangen, sondern sie seien quasi dazu getrieben worden. Aber wurden nicht auch die Verschwörer des 20. Juli von den Gegebenheiten, die sie vorfanden, zu ihren Aktionen »getrieben«? Und galt nicht das Gleiche für die Weiße Rose? Im Übrigen waren die Nazis selbst nie im Zweifel über denCharakter der Edelweißpiraten, denn bereits zu einem frühen Zeitpunkt – und später fast ausschließlich – beschäftigte sich die Gestapo mit ihnen, in Köln sogar in einem eigenen Sonderkommando. Und die Gestapo war bekanntlich nicht für gewöhnliche Kriminelle zuständig, sondern für politische Gegner.
    Was also ist der Grund für die jahrzehntelange Diffamierung der Edelweißpiraten als Kriminelle? Ist es nicht einfach so, dass nicht sein konnte, was nicht sein darf? Die aufmüpfigen Arbeiterjugendlichen passten nicht in das Bild des Widerstands. Widerstand wurde gesehen als ein Produkt von Eliten – und zwar ausschließlich. Die bloße Möglichkeit eines Widerstands von unten, aus dem einfachen Volk heraus, wurde geleugnet. Denn was hätte die Existenz dieser Möglichkeit über die stumme Mehrheit ausgesagt, die stets im Strom mitgeschwommen war?
    Nach 1945 standen alle vor dem Unfassbaren und mussten es erklären – vor allem vor sich selbst. Da war es am einfachsten zu sagen: Wir haben nichts gewusst, und wir konnten nichts tun. Man wiederholte es so lange, bis man selbst daran glaubte. Die Edelweißpiraten störten in dieser Selbstvergewisserung der Unschuld. Man wollte sie nicht wahrhaben. Man wollte nicht zugeben, dass es so etwas wie sie überhaupt gegeben hatte. Man machte es sich leicht und degradierte sie zu kleinen Kriminellen, zu Schlägern und Halbstarken. Sie waren einfach »Krade« – Abschaum.
    Erst seit den 80er Jahren entwickelte sich ein differenzierteres Bild. Erst jetzt wurde anerkannt, dass nicht nur Mitglieder einer hehren Elite den Nationalsozialismus bekämpft hatten, sondern dass es auch Widerstandshandlungen aus der Bevölkerung gegeben hatte. Die meistenvon ihnen sind nie bekannt geworden und werden es auch nicht mehr. Dennoch steht ihr moralischer Wert dem der Verschwörer vom 20. Juli oder der Weißen Rose nicht nach. Und vor allem zeigen sie eines sehr deutlich: Man
konnte
etwas wissen – wenn man die Augen aufmachte. Und man
konnte
etwas tun – wenn man den Mut dazu hatte.
    Die offizielle Rehabilitierung der Edelweißpiraten erfolgte nach der Jahrhundertwende. Am 9. November 2003 wurde in Ehrenfeld eine Gedenktafel für die hingerichteten Edelweißpiraten enthüllt – in jenem Teil der Hüttenstraße, der inzwischen Bartholomäus-Schink-Straße heißt. Und am 16. Juni 2005, mehr als 60 Jahre nach dem Ende des Krieges, erkannte der Kölner Regierungspräsident Jürgen Roters in einer Feierstunde im Haus der Bezirksregierung die Ehrenfelder Edelweißpiraten offiziell als Widerstandskämpfer an.
    Auch wenn alles zunächst fast harmlos als jugendliche Aufsässigkeit begann: Die Edelweißpiraten hatten den Mut und den Anstand, sich gegen ein Unrechtsregime zur Wehr zu setzen, und sie ließen sich auch durch brutale Verfolgung nicht von diesem Weg abbringen. Sie waren Teil des anderen, des besseren Deutschland. Wir sollten nicht aufhören, ihre Geschichte zu erzählen.

Informationen zum Buch
    Sie wollten nicht wegsehen – da wagten sie alles! Der 16-jährige Daniel freundet sich mit dem alten Josef Gerlach an. Aber etwas zwischen ihnen bleibt unausgesprochen. Da überlässt ihm der alte Mann sein Tagebuch. Es erzählt, wie Gerlach als 14-Jähriger die HJ verlässt und sich einer Clique anschließt, die sich »Edelweißpiraten« nennt. Ihr Markenzeichen: lange Haare und coole Klamotten. Ihr Motto: Freiheit! Zunächst beginnt alles ganz unpolitisch. Doch als die Lage immer schlimmer wird, planen sie gefährliche Aktionen gegen die Nazis …
    Je tiefer Daniel in diese vergangene Welt
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