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Edelweißpiraten

Edelweißpiraten

Titel: Edelweißpiraten
Autoren: Dirk Reinhardt
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Viele Jahre lang. Das ist der einzige Grund. Mit dir hat das nichts zu tun, kapiert?«
    »Ja, hab ich.«
    »Na, hoffentlich. Ich sag dir nur eins: Wenn dir irgendwas an deinem Vater liegt, dann streng dich verflucht noch mal an und mach ihm keine Schande.« Er hat mich angesehen und den Kopf geschüttelt. »Verdammte Scheiße, wie ist der Mann nur zu ’nem Saukerl wie dir gekommen? Hätte wirklich was Besseres verdient!«
    Ich hab lieber nichts dazu gesagt. Er ließ mich schwitzen und blätterte in seinen Unterlagen. Dann sah er wieder hoch.
    »Weißt du, warum ich dich Saukerl genannt habe?«
    »Nein.«
    »Natürlich nicht! Du weißt ja nicht mal deinen Namen. Also, ich sag’s dir: Du bist ein Saukerl, weil du nicht mehr in der HJ bist. Und warum bist du das nicht?«
    »Na ja, es gab Ärger, und –«
    »Halt dein blödes Maul, oder ich werf dich raus und du kannst sehen, wo du bleibst! Glaub bloß nicht, dass du dir alles erlauben kannst, nur weil dein Vater hier war! Und merk dir eins: Es gab keinen Ärger. Du hast Ärger
gemacht
! War es nicht so?«
    Ich war froh, dass sie mich nehmen wollten, und hatte mir vorgenommen, ’n guten Eindruck zu machen. Also hab ich ihm zugestimmt.
    »Ja, ich hab Ärger gemacht.«
    »Wie war das? Geht’s vielleicht etwas lauter?«
    »JA, ICH HAB ÄRGER GEMACHT!«
    Er schlug mit der Hand auf den Tisch, dass es knallte. »Was fällt dir ein, hier rumzuschreien? Pass auf, dass ich dir nicht gleich eine scheure!«
    Wieder ließ er mich stehen und kritzelte in seinen Papieren. Dann hat er eins davon genommen und es mir hingeknallt.
    »Hier, unterschreib deinen Vertrag, Dummkopf!«
    Das hab ich mir nicht zweimal sagen lassen. Kaum war ich fertig, hat er mir das Papier wieder aus der Hand gerissen.
    »Mann, ich weiß wirklich nicht, warum wir uns mit Typen wie dir so viel Mühe geben! Jetzt hau ab und meld dich in der Gießerei. Und wehe, ich krieg dich hier oben noch mal zu sehen, dann landest du in der Scheiße!«
    Dass man als Lehrling nicht viel gilt, hab ich ja schon vorher gewusst. Trotzdem, so schlimm hätte ich’s mir doch nicht vorgestellt. Aber egal! Hauptsache, ich hab meinen Vertrag und verdien mein eigenes Geld, auch wenn’s nicht viel ist. Als ich heute durch die Straßen gegangen bin, ist es mir vorgekommen, als würden die Leute mich ganz anders ansehen. Ist bestimmt Blödsinn, aber – das Gefühl ist gut.

14. Mai 1941
    Meine ersten Lehrlingstage sind vorbei. Manche von den Ausbildern behandeln mich wie ’n alten Putzlappen, aber viele von den Arbeitern sind nett. Vor allem die, die meinen Vater gekannt haben. Bei denen hab ich ’n Stein im Brett, die mögen mich. Sie sagen immer, ich erinnere sie an ihn. Ist vielleicht nur so ein Spruch, aber vielleicht auch nicht. Jedenfalls hör ich’s ganz gern. Und die anderen können mir gestohlen bleiben.
    Einer von den älteren Arbeitern, der ein Freund von meinem Vater war, kümmert sich so ein bisschen um mich. Heute hat er mir in der Mittagspause erzählt, wegen der Lehrstelle hätte ich mir eigentlich keine Sorgen machen müssen. Die HJ würd Leuten wie mir nur ’n Denkzettel verpassen. Uns zappeln lassen, damit
wir zur Vernunft kommen. Auf Dauer könnten sie im Krieg gar nicht auf uns verzichten in den Betrieben. Natürlich hat er’s nur heimlich erzählt.
    Die Arbeit ist ganz schön hart und dauert länger, als sie eigentlich soll. Heute bin ich erst rausgekommen, als es schon dunkel war. Ich geh dann immer die Vogelsangerstraße runter und über den Neptunplatz, am Schwimmbad vorbei. Normalerweise ist da um die Zeit nichts mehr los, aber heute war’s anders. ’ne Gruppe von Jugendlichen hat da rumgehangen, ungefähr so alt wie ich oder ein bisschen älter. Haben ziemlichen Lärm gemacht. Fast so, als würd der ganze Platz ihnen gehören. Ich bin stehen geblieben und hab sie aus der Ferne beobachtet. Und dann ist mir eingefallen, dass ich damals bei der HJ schon von Leuten wie denen gehört hab.
    Die Streifendienstler haben davon erzählt. Seit letztem Jahr haben die gut zu tun, weil Jugendliche ja im Dunkeln nicht mehr raus dürfen, und die Streifendienstleute müssen’s überprüfen. Dürfen sich die Ausweise zeigen lassen und Leute festnehmen. Jedenfalls haben sie uns Jüngeren gegenüber immer große Reden geschwungen. Von wegen, was letzte Nacht los war und was für Heldentaten sie begangen haben. Dass sie wieder irgendein »lichtscheues Gesindel«, irgendeinen »Dreck« oder »Abschaum« von der Straße
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