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Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Titel: Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)
Autoren: Karin Fossum
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Männchen. Ich stehe ganz still, sagten die dunklen Hundeaugen, ich winsele nicht, und ich bettele nicht, ich sabbere nur wie verrückt. Sejer nahm einen Teller aus dem Schrank und stellte ihn auf den Tisch. Zwei kalte, mit Plastikfolie abgedeckte Würstchen. Hartgekochte Eier. Etwas in einer Schale, vermutlich irgendein Kompott. Er sagte leise: »Sitz« und schwenkte eine Wurst. Ich muß einen Pflegedienst verständigen, dachte er. Irma Funder braucht Hilfe. Vielleicht muß sie sogar ins Krankenhaus.
    »Nein, spinnst du?« hörte er aus dem Wohnzimmer. »Erzähl mir mehr! Alle Einzelheiten.« Und dann kicherte sie wieder. Er nahm die Pfote, die der Hund ihm reichte, und hielt ihm eine Wurst hin. Schnitt eine Scheibe Brot ab und zerteilte die Eier. Bestreute sie mit Salz.
    »Gerade das gefällt mir nun gar nicht. Ich spiele lieber«, hörte er. Er spitzte die Ohren. Mit wem sie da wohl redete?
    »Mit Licht. Natürlich. Meinst du, ich schäme mich? Nein, ich bin keine zwanzig mehr. Ich bin alt genug, um deine Mutter zu sein.«
    Wie in der Bewegung erstarrt, stand Sejer da, eine Tube Mayonnaise in der Hand, und lauschte, hemmungslos jetzt. Bestimmt hatte sie ihn nicht kommen hören. Doch, das mußte sie, Kollberg machte immer solchen Lärm, daß es noch mehrere Stockwerke tiefer zu hören war. »Aber Gier ist erregend, da stimme ich dir zu. Wenn auch nicht immer. Sicher. Unbedingt.«
    Sejer hob die zweite Wurst hoch. Seine Verwirrung ließ ihn ein wenig sadistisch werden. Er schwenkte die Wurst hoch über seinem Kopf. Der Hund versuchte, dieses Spiel zu durchschauen. Wollte sich auf die Hinterbeine stellen, war aber zu schwer. Siebzig Kilo und ungünstiger Schwerpunkt. Deshalb kam er wieder auf alle viere und kratzte am Hosenbein seines Herrchens. Sejer gab die Wurst her. Drückte Mayonnaise auf die Eier.
    »Ab und zu muß ich einfach klein sein. Ein kleines Mädchen. Das finde ich wunderbar.«
    Er goß Milch in ein Glas. Ein kleines Mädchen? War sie nicht bald fertig? Roch es nicht ein wenig nach Hasch? Er war plötzlich so müde. Aber aus der Müdigkeit wurde etwas anderes. Er dachte: Jetzt gehe ich ins Wohnzimmer. Ich will die Nachrichten sehen. Sie saß am Telefontisch und hatte den Hörer unters Kinn geklemmt. Sie hörte ihn, drehte sich um und zwinkerte ihm vielsagend zu. Er war verwirrt. Das Brot rutschte über den Teller und wollte über den Rand kippen. Kollberg legte sich neben ihn, seine Nasenlöcher vibrierten heftig. Sejer starrte die Eierscheiben an.
    »Ich muß jetzt auflegen«, sagte Sara. »Ich kann ja wieder anrufen, wenn ich dich brauche, nicht wahr?«
    Dann lächelte sie die Wand über dem Telefontisch an, an der ein Kalender und ein altes Diplom vom Schießstand hingen. Er war ein ausgezeichneter Schütze.
    »Was ich anhabe?« Sie schaute an sich herunter, betrachtete ihre grüne Cordhose und das karierte Flanellhemd. »Ein schönes rotes, ärmelloses Kleid aus reiner Seide. Und ich bin sehr braun. Ich war gerade in Israel. Du sprichst mit einer Jüdin. Hast du es schon mal mit einer Jüdin gemacht?«
    Sejer hatte gerade in sein Brot gebissen, und an diesem Bissen hätte er sich fast verschluckt. Er sah den Hund an und war plötzlich froh darüber, daß der kein Wort verstand. Er schaltete den Fernseher ein und starrte den Bildschirm an, das Gesicht, das Nachrichten verlas, die er nicht hörte, weil er den Ton abgedreht hatte. Dann beschloß er, voll aufzudrehen und sie zum Auflegen zu zwingen. Auf dem Bildschirm war Krieg. Jagdflugzeuge starteten von einem Flugzeugträger und rasten als metallische Blitze über den Himmel. Er spürte ihre Kraft bis in seinen Sessel hinein.
    »Gute Nacht, Lieber.«
    Sara beendete das Gespräch. Sie kam auf ihn zu und setzte sich auf seine Armlehne.
    »Hast du nicht gesehen, daß Roastbeef im Kühlschrank ist?« fragte sie erstaunt.
    Roastbeef? Er hatte nichts so Leckeres gesehen, er hatte ihr nur voller Verwirrung zugehört. Außerdem schmeckten die Eier ausgezeichnet. Waren vielleicht nicht so gut für den Cholesterinspiegel, brachten aber reichlich Proteine, und die brauchte er, um seine Muskelmasse zu erhalten.
    »Mit wem hast du gesprochen?« fragte er zaghaft.
    »Mit einer Sex-Line«, sagte sie, lachte und strich sich den langen Pony aus der Stirn. Kein bißchen verlegen.
    Er schwieg. Im Grunde hatte er gar keinen Hunger.
    »Ich habe mich gelangweilt. Du warst ja nicht hier.«
    »Weißt du, was das kostet?« platzte er heraus, und sie prustete los. Sie hatte
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