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Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Titel: Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)
Autoren: Karin Fossum
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und Ruß aus den glühenden Gesichtern.
    Es war stockfinster. Ein Polizist schaltete eine Taschenlampe an. Ließ den Lichtstrahl umherwandern. Da unten lag etwas Grauweißes auf dem Boden. Andere Beamte kamen dazu. Stiegen vorsichtig auf die oberste und dann auf die zweitoberste Stufe, leuchteten mit ihren Taschenlampen und verstummten. Sie starrten die Plane an. Unten mußten sie darüber hinwegsteigen und zur Seite ausweichen. Die Plastikplane war in der Hitze weich geworden und knisterte nicht mehr. Sie zogen sie weg. Starrten entsetzt auf das, was darunter lag. Eine undeutliche Masse aus Plastik, Haaren und Haut. Kurz gesagt, es war unbeschreiblich.

10. SEPTEMBER
     
    Seine klarste Erinnerung von der Beerdigung seiner Mutter war das Geräusch, mit dem der trockene Sand auf den Sargdeckel gefallen war. Diese Erinnerung wurde er nicht los. Er öffnete das Fenster, um frische Luft hereinzulassen, setzte sich und fing von vorn an. Bruchstücke der Tragödie lagen auf seinem Tisch. Ein Bild, wenn auch unklar, nahm langsam Formen an. Aber er traute seinen eigenen Augen nicht. So konnte es nicht gewesen sein. Und warum war das passiert? Irmas Leichnam war noch am selben Abend aus dem Fluß gefischt worden. Sie war unter der Autobahnbrücke an einem alten, verrotteten Brückenpfeiler hängengeblieben. Dort war sie entdeckt worden, wie sie im funkelnden Licht im Wasser trieb. Der Beutel war vom Flußwasser gereinigt worden, steckte aber noch unter ihrem engen Unterhemd. Und der Brand. Der Fund im Keller. Wie es in dem dunklen Raum ausgesehen hatte. Was bedeutete das? Die Vorstellung, daß er selbst in ihrer Küche gestanden hatte, nur wenige Meter von ihm entfernt. Er wußte noch, was er empfunden hatte, als er da vor ihr stand. Wie er sofort geschlußfolgert hatte, daß sie nicht ganz bei Verstand sei.
    Na und? Deshalb wäre er noch längst nicht befugt gewesen, ihr Haus zu durchsuchen.
    Er schaute auf, als Jacob Skarre hereinkam. Und mit Papieren winkte.
    »Es ist nicht zu glauben«, murmelte er.
    Die Gerichtsmedizin hatte ihren Bericht geschickt. Skarre ließ sich in einen Sessel fallen. Sejer las laut vor.
    »Junge, vier Monate alt, tot im Bett gefunden. Die Obduktion erweist ein epidurales Hämatom als Todesursache. Eine Blutung zwischen Kranium und Gehirnhaut, als Folge der Kopfverletzung. Solche Hämatome bilden sich erst allmählich. Sie führen zu erhöhtem Druck, der sich ins verlängerte Mark fortsetzt und das Atemzentrum beeinflußt. Mit anderen Worten, das Kind ist gestorben, weil es aufgehört hat zu atmen. Unmittelbar nach dem Vorfall kann das Kind ganz normal gewirkt haben, frei von sichtbaren Symptomen. Dem untersuchenden Arzt ist kein Vorwurf zu machen. Einige Stunden nach der Verletzung folgen Müdigkeit oder Trägheit. Der Bewußtseinszustand verändert sich. Es läßt sich also feststellen, daß der Tod des Kindes eine direkte Folge des Sturzes aus dem Wagen war. Des Sturzes, zu dem es bei dem Überfall auf die Mutter kam.«
    »Hätten wir Andreas wegen fahrlässiger Tötung anklagen können?« fragte Skarre.
    Sejer lächelte hämisch. »Nicht einmal vor dem übellaunigsten Richter hier im Land. Sie haben eine Tasche aus dem Wagen gerissen. Sie haben die Frau nicht angerührt. Es war ein simpler Diebstahl. Höchststrafe drei Jahre, aber die hätte er nicht mal annähernd gekriegt. Er war doch noch so jung. Und nicht vorbestraft. Er wäre mit dem Schrecken und einer Ermahnung davongekommen.«
    »Die Mutter des Kindes – weiß sie Bescheid?«
    »Ja. Die Mutter ist auf jeden Fall für ihr Kind verantwortlich. Sie hat den Wagen losgelassen. Und die Bremse verfehlt.« Er schüttelte den Kopf.
    »Was sagt der Bericht über Andreas? Was haben sie da gefunden?«
    »So eine Art Alptraum. Wenn ihre Vermutungen zutreffen.«
    »Und die sind?«
    »Daß er die Treppe hinuntergefallen ist oder vielleicht gestoßen wurde. Beim Aufprall auf den Kellerboden hat er sich das Genick gebrochen, genauer gesagt, die Zervikalkolumna vier. Dieser Bruch muß zu Lähmungserscheinungen vom Nacken an abwärts geführt haben. So ist er dann liegengeblieben.«
    »Und sie hat ihm mit einem Hammer den Schädel eingeschlagen«, sagte Skarre.
    »Ja. Aber nicht sofort.«
    Sejer legte die Papiere weg und erhob sich. Lehnte sich an den Aktenschrank, ließ die Finger über das grüne Metall wandern.
    »Es weist einiges darauf hin, daß er eine ganze Weile dort gelegen hat. Allein. Mit gebrochenem Genick.«
    »Was heißt eine
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