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Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Titel: Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)
Autoren: Karin Fossum
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Weile?«
    »Mehrere Tage. Er ist am ersten September verschwunden, richtig? Eine Kopfwunde, die vermutlich durch den Sturz verursacht wurde, fällt auf. Sie war nicht tief genug, um ihn ins Koma zu stürzen, reichte aber für eine vorübergehende Bewußtlosigkeit. Und war heftig infiziert. Das geht nicht so schnell. Außerdem hatte er sich an einigen Stellen wundgelegen, unter anderem am Hintern. Und er war mit einer Decke zugedeckt. Neben ihm stand eine Heizsonne. Sie hat ihn gefangengehalten. Auf irgendeine Weise hat sie ihm zu essen oder zumindest Wasser gegeben. Sie hat ihm Wasser gegeben«, wiederholte er mit Verwunderung in der Stimme.
    »Die Nuckelflasche«, flüsterte Skarre.
    »Was meinst du?«
    »Sie hat ihm mit einer Nuckelflasche Wasser gegeben. Ich stand an der Kasse im Supermarkt hinter ihr, und da hatte sie sie vergessen. Ich weiß noch, daß ich mich darüber gewundert habe. Aber was hat Andreas bei ihr gewollt?«
    »Geld«, meinte Sejer. »Er hatte ein Messer bei sich. Das lag unter der Hobelbank. Ein Konfirmationsgeschenk von seinem Vater.«
    »Bei der Freundin seiner Mutter? War das so klug?«
    »Vielleicht wußte er nicht, wer sie war. Übrigens ist Irma Funder bei uns aktenkundig.«
    »Wieso das?«
    »Vor elf Jahren hat sie ihren Mann als vermißt gemeldet. Er war spurlos verschwunden. Hatte sein Konto geleert und seinen Paß mitgenommen. Sie glaubte aber trotzdem, daß ihm etwas zugestoßen war. Später kam dann ihr Sohn. Ingemar Funder. Ausgesprochen verlegen. Er hatte im Büro des Vaters einen Brief gefunden, in dem der erklärte, er ertrage sein Leben nicht mehr und wolle ins Ausland. Manche werden damit nicht fertig«, sagte er nachdenklich. »Daß sie verlassen werden. Es war wohl zuviel für sie.«
    Nach einer längeren Pause fragte Skarre: »Hast du mit dem Sohn gesprochen? Was sagt der?«
    »Nicht viel. Er hat nur traurig genickt. Und er sah ohnehin schon traurig aus. Hat Ähnlichkeit mit seiner Mutter.«
    »Der verdammte – Entschuldigung«, sagte Skarre unglücklich. »Aber ich muß an den Tag denken, an dem sie hier war. An das, was sie gesagt hat: Ich weiß, wo er ist. Er lebt sicher nicht mehr lange. Und als ich sie gefragt habe, wo sie wohnt, hat sie ihre Adresse genannt. Prins Oscars gate 17. Mit scharf ausgesprochenen Konsonanten. Sie hat mir dabei in die Augen gesehen. Sie wollte mir sagen, wo er war, und ich habe es nicht begriffen. Vielleicht war er da noch am Leben.«
    »Es macht mir unendlich zu schaffen, daß wir Irmas Version nie zu hören bekommen werden. Und wir können niemanden vor Gericht stellen. Oder?«
     
    Er hatte mit allen gesprochen. Mit Runi Winther und Ingemar Funder. Hatte versucht zu erklären. Sich bemüht, eine Version zu finden, die sie vielleicht ertragen konnten. Doch das war unmöglich. Zipps Mutter hatte immer wieder angerufen. Er hatte ihr aber nur sagen können, daß sie ihr Bestes taten. Dann war er zum Auto gegangen. Während er durch die Straßen fuhr, versuchte er, Bilanz zu ziehen. Über das, was geschehen war, wo er im Leben stand. Er wollte nach Hause zu Sara. Mutter ist tot und begraben, dachte er. Und spürte die feinen Rillen des Lenkrades unter den Fingerspitzen. Seine Schuhe waren weit, er konnte die Zehen krümmen. Lebe ich im Augenblick? Nein, dachte er, denn in Gedanken stehe ich zu Hause im Flur. Ohne zu ahnen, was mich dort erwartet. Sara. Mit einer warmen Mahlzeit. Vielleicht hat sie mich auch verlassen. Dieses Leben war unmenschlich, ein einziger langer Absturz, der endete mit – ja, was wußte er denn? Vielleicht mit lauwarmem Wasser. Vielleicht mit zerschlagenem Glas. Meine Güte, dachte er. Dann machte er Pläne für den nächsten Tag, wie er es immer tat. Er brauchte Fixpunkte. Für alle Fälle. Es konnte alles mögliche passieren, aber er kümmerte sich gern um alles, auch um scheinbare Belanglosigkeiten.
    Kollberg war allein. Er beruhigte den Hund und schaute in die Küche. Fand auf dem Tisch einen Zettel. Und dachte, jetzt hat sie mich verlassen. Er ging ein paar Schritte und holte tief Luft. Faltete den Zettel auseinander. »Muß zu Papa. Bin bald wieder da. Im Herd steht ein Fischauflauf. Für dich, du süßer Zuckerklumpen.«
    Na ja. Er war auf alles gefaßt gewesen, aber das war nun wirklich der Gipfel.

11. SEPTEMBER
     
    Ingemar Funder fuhr einen alten Ford Sierra. Er war dunkel und untersetzt und hatte ein volles Gesicht und tiefliegende dunkle Augen. Er war immer still und bescheiden und machte nie viel von sich
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