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Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Titel: Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)
Autoren: Karin Fossum
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ein schönes, kraftvolles Lachen. Er begriff nicht, was sie so komisch fand. Eigentlich wäre er jetzt gern allein gewesen.
    »Und woher weißt du, mein guter Mann, daß das so schweinisch teuer ist?«
    Er schwieg, er saß nur da und kam sich blöd vor. Sie küßte seine widerspenstigen grauen Haare. »Ich habe ein paarmal dort angerufen. Das kann ich gern bezahlen. Ich verdiene schließlich mehr als du.« Und dann prustete sie wieder los.
    »Aber«, stammelte er, »warum?«
    »Das macht Spaß! Am anderen Ende sitzt ein echter, lebendiger Mann.« Sie bückte sich und flüsterte ihm ins Ohr: »Mußt du auch mal probieren.«
    Er starrte die Eierscheiben an. Es war nur eine Frage der Zeit, ehe Kollberg zulangen würde.
    »Woher hast du die Nummer?« fragte er ratlos.
    »Die steht in der Zeitung. Da gibt es eine reiche Auswahl. Je nach Geschmack. Bist du nicht neugierig?«
    »Nein.«
    »Sie geben dir alles, was du willst. Alles, was sich durch eine Telefonleitung schicken läßt. Und das ist gar nicht wenig.«
    Er hob das Brot an. Biß hinein und kaute langsam.
    »Du frierst«, sagte Sara. Sie legte ihm eine Hand an die Wange. Die Hand war glühend heiß. »Ab und zu dürfen wir uns doch ein bißchen amüsieren!«
    Sich amüsieren? War das wichtig? Ein Teufel fuhr in Konrad Sejer. Er sprang aus dem Sessel und richtete sich mit all seinen hundertsechsundneunzig Zentimetern auf. Verdutzt saß sie da, wie ein kleines Mädchen, und starrte zu ihm hoch. Er dachte, ich bin stärker als sie. Ich kann sie hochheben und wegtragen. Sie kann strampeln und zappeln, aber sie hat keine Chance. Er packte sie um die Taille und hob sie von der Armlehne. Sie heulte begeistert auf, aber er registrierte doch befriedigt die kleine Andeutung von Panik in ihrer Stimme, als er sie wie eine Puppe durch das Zimmer trug. Vor der alten Kommode, die schon im Gamle Møllevej gestanden hatte und eine Tonne wog, blieb er stehen. Federte in den Knien und hievte sie auf die Kommode. Da war Platz genug. Sie schrie vor Lachen.
    »Stillsitzen«, sagte er und ging ein paar Schritte zurück. »Wenn du dich bewegst, kippst du um.«
    »Ich will runter«, keuchte sie.
    »Geht nicht«, sagte er. »Dann kippt die ganze Chose um.«
    »Du kannst mich doch hier nicht sitzen lassen«, rief sie lachend und rutschte vorsichtig an die Kante, hielt aber inne, als die Kommode unter ihr schwankte.
    »Nicht bewegen«, sagte er düster. »Ich will in Ruhe essen. Danach machen wir einen langen Spaziergang.«
    Er setzte sich und aß. Kollberg sprang hin und her und bellte, er erkannte sein Herrchen nicht wieder. Sara lachte dermaßen, daß er sie zur Ruhe ermahnen mußte; er hatte Angst, die Kommode könne kippen und dröhnend auf den Boden krachen. Sie war mit Kristall gefüllt. Sara fuhr mit einem Finger über das Holz. Der Finger färbte sich grau.
    »Staub finde ich gut«, scherzte sie. »Staub ist etwas von allem. Von dir und mir.«
    »Rotzgöre«, rief er.
     
    Am Fluß stand eine ältere Frau. Sie stand rechts von dem Restaurantschiff, das jetzt geschlossen war. Sie starrte zur Eisenbahnlinie hinüber, die auf der anderen Seite verlief. Mit erhobenem Kopf stand sie da und sah aus, als habe sie eine Aufgabe erledigt. Dann machte sie einige Schritte und blieb ungefähr an der Stelle stehen, wo eine Treppe ins Wasser hinunterführte. Ging nach unten. Auf der dritten Stufe blieb sie wieder stehen, schaute zum Brückengewölbe hinauf, zu der langen, gerundeten Betonschiene, die die beiden Stadtteile miteinander verband. Menschen gingen über diese Brücke. Hunderte, Tausende, ihre Schatten glitzerten als gebrochene Reflexe im Wasser. Sie ging eine Stufe weiter. Und dann tat sie etwas Seltsames, etwas, worüber andere, wenn sie es hätten sehen können, gestaunt hätten. Sie raffte ihren Mantel. Einen alten braunen Mantel. Dann ging sie noch eine Stufe weiter, und das Wasser schloß sich um ihre Knöchel. Wie gelähmt von der Kälte blieb sie dort stehen. Auf dem Marktplatz herrschte ziemlicher Betrieb, aber sie war ganz still; kein Laut war zu hören, als sie sich endlich mit ausgestreckten Armen ins Wasser fallen ließ. Sie sah aus wie ein großes Kind, das in eine Schneewehe plumpst.
    »What a pity that she won’t live. But then again, who does?«
    Es nieselte. Sara und Sejer gingen dicht nebeneinanderher, Kollberg lief an kurzer Leine, Regentropfen funkelten in seinem struppigen Fell. Einige einsame Seelen beschleunigten ihren Schritt, als der Regen stärker wurde. Sie
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