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Dunkle Wünsche

Dunkle Wünsche

Titel: Dunkle Wünsche
Autoren: Carter Brown
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Jahre«, schloß ich. »Wenn Sie nun irgend
etwas Vernünftiges zu sagen haben, erlaube ich Ihnen zu reden.«
    Es dauerte eine Weile, weil sie
den Scotch etwa um das Fünffache zu schnell getrunken hatte, aber schließlich
hörten ihre Augen auf zu tränen, und der Husten ließ nach. »Es tut mir leid«,
ächzte sie. »Ich dachte, Sie hätten mich wegen einer gräßlichen Striptease-Tänzerin versetzt — vor allem, weil Sie überhaupt nicht mehr daran
interessiert waren, mich wieder in meiner Unterwäsche zu sehen und so weiter.
Na ja, ich war einfach wütend auf Sie.«
    »Und warfen das köstliche Essen
in den Abfalleimer?« stöhnte ich.
    »Nein.« Sie schüttelte heftig
den Kopf. »Ich wollte es tun, aber ich brachte es nicht fertig. Es steht noch
im Kühlschrank.«
    »Warum sitzen Sie denn dann
noch hier?« sagte ich. »Los, holen Sie es!«
    Fünf Minuten später vertilgte
ich in großen Bissen den Hummersalat, nachdem ich die Pâté bereits verschlungen
hatte. Aus irgendeinem geheimnisvollen Grund hatte Nancy darauf bestanden, daß
ich in der Küche aß. Das störte mich nicht im geringsten, ich hätte im
Augenblick auch, ohne zu zögern, stehend in einer Besenkammer gegessen. Dann
tätschelte ihre Hand plötzlich meine Schulter, und beinahe hätte ich mit der
Gabel den Mund verfehlt. »Was?« sagte ich mit schwerer Zunge.
    »Wenn Sie fertiggegessen haben,
kommen Sie ins Wohnzimmer zurück«, sagte sie liebenswürdig. »Ich habe dort eine
kleine Überraschung für Sie.«
    »Wollen Sie mir vielleicht
erzählen, Sie hätten Zyankali in den Hummersalat gestreut?«
    Sie lächelte schwach. »Ich
dachte, das hätten wir nun überwunden?«
    »Vermutlich ja«, gab ich
huldvoll zu. »Mit jedem Mundvoll vergebe ich Ihnen mehr.«
    »Sie haben die Gabe, sich so
zartfühlend auszudrücken, Al.« Sie unterdrückte einen kleinen Schauder. »Also
kommen Sie, wenn Sie fertig sind. Ja?«
    Ich nickte, weil es unhöflich
ist, mit vollem Mund zu sprechen, und sie kehrte ins Wohnzimmer zurück. Etwa
zehn Minuten später hörte ich auf zu essen, weil nichts mehr da war, trank
meinen gewohnten Magenwärmer — Scotch auf Eis — und fragte mich, ob sie wohl
irgendein gefrorenes Dessert als Überraschung in petto habe. Jedenfalls lohnte
es sich, dem nachzugehen.
    Sobald ich ins Zimmer trat,
begann das HiFi zu spielen — weiche träumerische
Gitarrenmusik, getragen von einem sanften Bongorhythmus. Nur noch eine Lampe
brannte, und der Schirm war seitlich gekippt, so daß das Licht auf das
schimmernde Kleid fiel, das wie Christbaumschmuck glitzerte. Nancys Gesicht war
im Schatten, so daß ich es nicht allzu deutlich sehen konnte, aber ihre Stimme
klang weich und klar.
    »Sie hatten um Rosa gebeten«,
sagte sie. »Aber ich glaube, diese Farbnuance wird Ihnen besser gefallen. In
der Wäschebranche bezeichnet man sie als au naturel.«
    Ihre Hand glitt zum Hals hinauf
und zog den Reißverschluß bis zur Taille auf. Dann bewegte sie ungeduldig die
Schultern, das Hemdblusenkleid sank zu einem ihre Knöchel umgebenden
schimmernden Haufen in sich zusammen, und die vergoldeten Pailletten glitzerten
schamlos zu mir herüber. Nancy trat mit unendlicher Anmut heraus und blieb, die
Hände in die Hüften gestützt, stehen und lächelte mir zu. Sie war total und
aufs prächtigste unbekleidet. Meine Kehle schmerzte, als ich sie betrachtete.
    »Gefällt es Ihnen?« Ihre Stimme
klang eine Spur besorgt.
    »Ich finde es prachtvoll«,
sagte ich heiser. »Aber mir scheint es nach wie vor rosafarben zu sein.«
    »Ja?« Ihre Stimme senkte sich
ein wenig. »Vielleicht sollten Sie näher hinsehen?« Sie kam ohne Eile auf mich
zu und blieb erst stehen, als ihr ganzer Körper gegen mich gepreßt war.
    »Ist es jetzt nah genug?«
flüsterte sie.
    »Ich bin im Augenblick nicht
allzu sicher«, sagte ich. »Frag mich morgen früh wieder.«
     
    ENDE
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